Rezension

Wunderschöne Geschichte

Eine Kiste voller Weihnachten - Ralf Günther

Eine Kiste voller Weihnachten
von Ralf Günther

Bewertet mit 5 Sternen

„...In der Expedition brannten ein paar Lampen. Storch löschte sie, schloss die Augen und sog den rußigen Geruch ein. Die Arbeit des Jahres war getan...“

 

Wir schreiben das Jahr 1890. Wie nach jeder normalen Arbeitswoche geht Vincent Storch auch am 24. Dezember als letzter durch seine Manufaktur. Das Werk stellt Dresdner Pappen her, eine besondere Art von Weihnachtsschmuck. Dabei fällt ihm auf, dass eine Kiste nicht ausgeliefert wurde. Er entschließt sich, sie selbst mit der Kutsche zur Kirchgemeinde nach Zinnwald zu bringen.

Die 11jährige Lisbeth hat ihre Mutter aus dem Gebirge nach Dresden ins Hospital begleitet, weil es Komplikationen bei der Geburt gab. Nun befindet sich die Mutter in professionellen Händen. Deshalb schickt sie ihre Tochter zurück ins Gebirge, denn als ältestes Kind wird sie bei der Betreuung der jüngeren Geschwister gebraucht. Sie versteckt sich heimlich auf Storchs Kutsche.

Der Autor hat eine berührende Weihnachtsgeschichte geschrieben. Er lässt nicht nur zwei Menschen aufeinander treffen, die sich erheblich im Alter unterscheiden. Auch ihre Lebenswirklichkeiten und ihre Erfahrungswelten haben nur wenig gemeinsam.

Der Schriftstil passt sich der besinnlichen und trotzdem spannenden Geschichte an.

Vincent ist als Geschäftsmann korrekt bis aufs letzte i – Tüpfelchen. Seine Gefühle allerdings hat er tief in sich verschlossen. Er hat sich in eine Welt der Einsamkeit zurückgezogen. Was außerhalb des Stadtlebens geschieht nimmt er, wenn überhaupt, nur marginal wahr.

Lisbeth weiß trotz ihrer jungen Jahre schon, wie das Leben spielt. Sie hat es gelernt, Verantwortung zu übernehmen und besitzt viele praktische Fähigkeiten. Trotzdem ist sie ein Kind und schnell zu begeistern. Aus dem Dunkel der Kutsche wirkt Dresden auf sie so:

 

„...Was sie sah, ließ ihre Augen groß werden: Sie kamen am Schloss vorbei mit seinen Schneckengiebeln und Ziergesimsen, dann an einem großen Haus. Was ihr den Atem nahm, waren die vier Raubkatzen, hoch über dem Portal, die so etwas wie eine Kutsche zogen...“

 

Als das Wetter umschlägt und heftiger Schneefall einsetzt, sind beide aufeinander angewiesen. Jetzt nimmt Lisbeth die Zügel des Handelns in die Hand. Sie brauchen ein neues Gefährt und Storch gesteht:

 

„...“Ich kann nicht bitten“,sagte er. „Ich habe vergessen, wie das geht.“...“

 

Nach und Nach gelingt es Lisbeth, das Eis um Storchs Herz zum Schmelzen zu bringen. Dazu tragen außerdem die Gastfreundschaft und die Hilfsbereitschaft bei, die Storch im Gebirge erlebt. Auf der Fahrt beginnt Storch zu reden. Er erzählt Lisbeth, wie es zur Gründung der Manufaktur kam. Ein Blick in die Kiste mit den Pappen überwältigt Lisbeth.

 

„...Storch hatte nicht übertrieben. Die ganze Weihnacht holte er aus der Kiste. Lisbeth blieb der Atem weg vor so viel Schönheit...“

 

Wunderschöne Zeichnungen illustrieren die Geschichte. Zwei Engel aus Dresdner Pappen unterteilen die Geschichte in Kapitel.

Die innere Umschlagseite zeigt die Abreise der Kutsche aus dem winterlichen Dresden.

Das Buch gehört zu den Weihnachtsgeschichten, die man jedes Jahr neu lesen kann. Es enthält von mir eine unbedingte Leseempfehlung.