Rezension

Wut

Inventurdifferenz - Britta Mühlbauer

Inventurdifferenz
von Britta Mühlbauer

Bewertet mit 3.5 Sternen

In ihrem Buch "Inventurdifferenz" zeichnet die Autorin ein Psychogramm ihrer Protagonistin. Marlies hatte es im Leben nicht leicht, von Geburt ist sie im Gesicht mit einem großflächigen Feuermal gezeichnet. In ihrer Kindheit wird sie gehänselt, oft grausam geärgert, wie Kinder eben nun mal sind. Und selbst als Erwachsene begegnen ihr die Menschen, vor allem die Männer, mit Mißtrauen, Ablehnung, Spott und Häme. Die Schule hat sie nach einem Vorfall abgebrochen und sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten, bis sie bei einem Sicherheitsdienst gelandet ist und dort einigermaßen zufrieden ist. Ihr erklärtes Ziel ist es, nach vielen Weiterbildungen endlich im Personenschutz eingesetzt zu werden, doch ihr Chef Siggi, mit dem sie ein Verhältnis hat, steckt sie immer wieder in den langweiligen Objektschutz. Als sie in einer Filiale einer großen Baumarktkette, bei der es Inventurdifferenzen gibt,  die Sicherheitechnik neu einrichten soll, findet sie über die Leiterin Hanna wieder Zugang zu ihrer langjährigen Schulfreundin Marlies. Doch auch im Baumarkt wird sie von der Männerfraktion wegen ihres Mals gemobbt...
 
Die Handlung beginnt geheimnisvoll, man begleitet Marlies, die in einem anfangs noch unbekannten Land auf der verzweifelten Suche nach Hanna ist. Nach und nach erfährt man in Rückblenden, wie die Beziehung der beiden Frauen zueinander ist, wie sie sich kennengelernt haben, was passiert ist. Jedoch immer nur häppchenweise, so dass lange Zeit gar nicht klar ist, weswegen Marlies auf der Suche nach Hanna ist, warum sie sie unbedingt finden muss. Doch gerade diese portionierten Informationen machen neugierig, so neugierig, dass man gar nicht anders kann, als an der Story dranzubleiben. Dazu kommt der flüssige, teils flapsige Schreibstil, der unglaublich gut zur Geschichte passt.
 
Die Autorin beschreibt ihre Charaktere sehr detailliert, es sind durchweg vielschichtige Persönlichkeiten. Allen voran ist natürlich Marlies als Hauptprotagonistin sehr gut charakterisiert. Man lernt sie durch ihre Kindheitserfahrungen kennen, durch die nicht intakte Familie, geprägt durch ihr Feuermal, das immer wieder für Ärger sorgt. Inzwischen hat Marlies gelernt damit zu leben und steht dazu, aber der Preis war hoch. Sie nimmt Medikamente, um ihre innere Wut im Zaum zu halten, das gelingt ihr nicht immer. Marlies ist kein sympathischer Charakter, und trotzdem ist es möglich, sie zu einem gewissen Teil zu verstehen. Auch Hanna ist eine problembelastete Persönlichkeit, die Probleme mit der männerdominierten Gesellschaft hat.
 
Die Handlung ist von Anfang an faszinierend, vor allem, da man anfangs noch vollkommen im Dunkeln tappt, was eigentlich passiert ist. Es bleibt spannend, steigert sich bis zum finalen Ende, welches sehr heftig ist. Letztlich zeigt sich auch der Bezug von Handlung zum Cover.
 
Fazit: Ein Thriller mit tiefgründigen Persönlichkeiten, in der die  Themen Frauenrechte und Frauenfeindlichkeit eine große Rolle spielen. Unbedingt zu empfehlen.