Rezension

Wut als cis-männliche Emotion

Wut und Böse -

Wut und Böse
von Ciani-Sophia Hoeder

Ein rot angelaufenes Gesicht, Schweiß in den fest zusammengekniffenen Fäusten, gefletschte Zähne: Der Begriff der ‚Wut‘ ist im allgemeinen Sprachgebrauch negativ konnotiert. Wütende Menschen seien anstrengend, laut, heißt es oft, und sie versuchten aufdringlich, ihrer Meinung Gehör zu verschaffen.

Unsere Gesellschaft braucht Wut
Dieses Denken möchte die deutsche Autorin und Journalistin Ciani-Sophia Hoeder in ihrem Plädoyer „Wut und Böse“ aufbrechen. Es ist ein kurzweiliges Buch, das in fünf übersichtlichen Themenschwerpunkten der Verdrängung des Zorns in der Gesellschaft auf den Grund geht und handfeste Argumente dafür liefert, wieso wir diese Emotion brauchen. Und dass sie mehr beinhaltet als die weit verbreitete Vorstellung des ‚überkochenden Topfes‘.

Paradox: Den Unterdrückenden steht am meisten Wut zu
Es ist ein Paradoxon, schreibt sie: Es seien vor allem privilegierte Menschen, die die Herrschaft über die Wut besitzen. Im Klartext bedeutet dies: überwiegend weiße, cis-heterosexuelle, nicht-behinderte Männer. Menschen, die marginalisiert werden, weil sie etwa eine der aufgelisteten Eigenschaften nicht erfüllen, stehe weniger Zorn zu. Weil sie etwa in der unterlegenen Position des Machtverhältnisses zu den Unterdrückenden stehen; weil schon in der Sozialisation Mädchen tendenziell Wut abgesprochen wird; und weil Wut mit Scham besetzt und von den Folgen des Patriarchats durchtränkt ist.

Ciani-Sophia Hoeder trifft dabei den richtigen Ton: sie formuliert knapp und bündig, was ihre Forderungen sind. Dabei greift sie zur Verdeutlichung auf konkrete Beispiele aus ihrem Alltag und dem ihrer Freund*innen. Zudem liefert das Quellenverzeichnis zahlreiche Recherchemöglichkeiten. Sie schildert nüchtern, wie viel Benachteiligung ihr als Schwarze Frau entgegen geweht ist – und wieso sie es als richtig empfindet, die aufkeimende Wut zuzulassen. Und sich gegen Sexismus, Rassismus, Queer- und Trans*feindlichkeit aufzustemmen.

Wut zeigt uns, dass wir ungerecht behandelt werden
„Wut als Katalysator für Veränderung“, so betitelt sie treffend eines ihrer Kapitel. Einer ihrer Schwerpunkte ist die Konstruktivität persönlichen und gesellschaftlichen Zornes: Sie zeigt uns, dass wir ungerecht behandelt werden. Haders ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir dieses Empfinden in konkrete Verbesserungen stecken können: 2019 gründete sie das Onlinemagazin „RosaMag“ für Schwarze Frauen in Deutschland und bietet diskriminierten Menschen eine Plattform.

Trotz der knapp zweihundert Seiten Buchlänge fielen mir beim Lesen einige retardierende Argumente auf. Dadurch litt die Lesekonzentration zwischen den (ansonsten) klar formulierten Kritikpunkten. Die Beispiele hätten teils etwas griffiger sein können, als sich zum wiederholten Male auf anonyme Freund*innen zu beziehen.

Selbstreflexion der eigenen Kommunikation
Nichtsdestotrotz: Das Buch regt zur starken Selbstreflexion der eigenen Kommunikation an. Wann beharre ich auf meinem Recht, zu mir selbst zu stehen? Wann steht mir dieser Platz überhaupt zu, wann höre ich „nur“ zu? Woher kommt das Denken, Frauen stehe weniger Raum für Zorn zu?

Ein kurzweiliges und informatives Plädoyer für weibliche Wut: Wieso Wut als weiße heterosexuelle männliche Emotion gilt, wieso es förderlich ist, die eigene Wut zu zeigen, wie wir diese Emotion nutzen können, um gegen Marginalisierungen anzukämpfen!