Rezension

Zauberhafte Frühlingsgefühle

Wenn nicht jetzt, wann dann? - Astrid Ruppert

Wenn nicht jetzt, wann dann?
von Astrid Ruppert

Bewertet mit 5 Sternen

Annemie, Liz und Nina. 3 unterschiedliche Frauen, 3 unterschiedliche Leben.

Annemie Hummel ist fast sechzig und meint, ihr Leben sei so gut wie vorbei. Dass diese Denkweise nicht im Geringsten auf ihr Leben zutrifft wird ihr in einer Situation bewusst, in der ihre Nachbarin auf ihre Hilfe angewiesen ist.

Dabei hält Annemie so gerne an ihrer täglichen Routine fest und weicht nahezu nie von ihr ab. Das Leben, das sie hinter sich gelassen hat, hat sie eigentlich nie wirklich gelebt hat. Es ist vielmehr an ihr vorbeigerauscht. Ihre Träume, Sehnsüchte und ihre Ziele. Immer hat sie versucht, es allen recht zu machen und ihre Wünsche hinten angestellt. Allen voran ihrem Mann gegenüber - viel zu lange hat diese Ehe gedauert: lebten sie vielmehr aneinander vorbei als miteinander. Als hoffnungslose Romantikerin hat sie immer von einer Traumhochzeit geträumt und sie nie bekommen. Die einzig halbwegs romantischen Augenblicke in ihrem Leben sind die Stunden, in denen sie kitschige Hochzeitstorten backt und sie liebevoll verziert.

Liz Baumgarten ist Anfang zwanzig und ein gebranntes Kind. Als sie ihre beste Freundin mit ihrem Verlobten im Bett erwischt, kann sie es nicht fassen, dass eine derartig lächerliche Situation gerade ihr passiert. Zwei Menschen, die sie zu kennen glaubte, haben sie schamlos ausgenutzt. Ihr Glaube in die Menschen beginnt daher zu bröckeln. In nur einem einzigen Moment verliert sie zwei Menschen: die beste Freundin und die große Liebe. Sie beschließt, sich nie wieder auf die Liebe einzulassen und das Heiraten anderen zu überlassen. Sie ist sich sicher, nie wieder die Lust auf das Heiraten zu verspüren.
Als ihr der Gedanke kommt, die Planung ihrer eigenen Hochzeit zu verkaufen und diese Mission von Erfolg gekrönt wird, beschließt sie eine Agentur zu gründen: eine Hochzeitsagentur. Wenn schon die eigene Hochzeit nichts wird, warum sie nicht für andere zum schönsten Tag des Lebens machen?

Nina Winter ist Anfang zwanzig und aus reichem Haus. Sie ist es gewöhnt, der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein und den guten Schein zu wahren. Schließlich ist sie eine Winter. Und das Juweliergeschäft Winter genießt einen ausgezeichneten Ruf. Doch um dem Druck gerecht zu werden, hat sie sich stets an andere orientiert und versucht vernünftig und selbstsicher zu handeln. Ihre Schutzhülle, die sie sich während der Jahre so hart aufgebaut hat, fällt auch ihr nicht immer leicht. Doch niemand sollte je ihren Schmerz und die Trauer um die viel zu früh verstorbene Mutter bemerken.

Zielstrebig, erfolgreich, geradlinig, alles - bloß nicht kitschig oder sentimental. Gefühl zeigen ist einfach nicht ihr Ding. Und jetzt wird sie heiraten - schon bald!

Und plötzlich kreuzen sich die Wege dieser drei Frauen. Und alles verläuft ganz anders als geplant.

"...Es ist passiert ... Ich habe mich in dich verliebt. Und weil das, ganz entgegen all deinen Vermutungen, lange nicht vorgekommen ist, werde ich daran festhalten und kämpfen. Es ist nämlich schön, in dich verliebt zu sein. ..." 
Zitat, Seite 265

Astrid Ruppert erzählt uns eine wunderschöne Geschichte, die Lust auf Frühling und Sonnenstrahlen macht. Der herrlich beschwingte und fröhliche Schreibstil der Autorin bereitet gute Laune und sorgt für eine extra Portion Glücksgefühle. Manche der Zeilen flattern vorbei wie ein Schmetterling, der sich kurz auf dir niederlässt um Luft zu holen und dann weiter in die Welt hinauszufliegt. Der Autorin gelingt dabei ein nachhaltiger Effekt: sie stimmt den Leser nachdenklich.

Die junge Liz, die nach dem unglücklichen Vorfall, bei dem sie ihren Verlobten mit ihrer besten Freundin in flagranti erwischt, den Entschluss gefasst hat, ihr Hobby zum Beruf zu machen, ist mir auf Anhieb sympathisch. Sie wird von der Autorin als sehr lebendig, farbenfroh und herrlich chaotisch gezeichnet. Ihre Persönlichkeit gleicht einer Beschreibung von Mary Poppins, die der Geschichte einen gewissen Zauber und Charme einhaucht. Ihr Enthusiasmus steckt nahezu an und scheint sich auf den Leser zu übertragen. Doch auch die zweifelnde und nachdenkliche Seite von Liz geht mir ans Herz. Sie packt das Leben direkt an den Wurzeln.

Annemie Hummel ist eine alte Dame, wie sie im Buche steht. Fürsorglich, bemutternd und herzlich. Die kleinen Marotten, die sie sich im Verlaufe ihres Lebens angeeignet hat, machen sie drollig und liebenswürdig zugleich. Man leidet mit ihr, versteht warum sie sich in ihren routinierten Alltag stürzt und sich darin versteckt. Es ist ihre Angst vor Veränderung und ihr persönlicher Weg, mit der Enttäuschung umzugehen, die sie verspürt, wenn sie über ihr bisheriges Leben nachdenkt. Ihre Vorstellungen vom Leben waren romantischer und vor allem gefühlvoller. Die Herausforderung, Liz in ihrer Agentur zu vertreten, kostet sie große Überwindung. Sie fühlt sich der Herausforderung nicht gewachsen und unterschätzt sich maßlos. Ihre Mutter hat ihr eingepläut, stets realistisch zu sein und sich nie Tagträumereien hinzugeben. Doch die ungewohnte Situation ist wie ein Geschenk des Himmels, das ihr den Zugang zu ihrem wahren Ich verschafft und sie wachsen lässt.

Nina Winter erinnert mich fast ein bisschen an mich selbst. Sie scheint genau zu wissen wo sie hin will. Durch schmerzhafte Erfahrungen in ihrer Vergangenheit hat sie gelernt, sich eine Art Schutzhülle zu schaffen, die sie vor äußeren Einflüssen schützen soll. Sie wirkt stark und souverän. Ihr auf den ersten Anschein harter Panzer verbirgt gefühlvolle und unsichere Seiten, die nur ansatzweise zum Vorschein kommen. Dem Druck, den sie als Tochter eines angesehenen Juweliers unterliegt, muss sie schließlich irgendwie Stand halten. Während der Geschichte fällt immer mehr das Harte an ihr ab und der weiche Kern kommt zum Vorschein.

Rupperts Weg, die drei Protagonisten zueinander finden zu lassen, hat mir auf Anhieb gefallen. Scheinbar unbemerkt lässt sie die drei Frauen aufeinander stolpern und sich anfreunden. Mit der Zeit werden immer mehr Menschen Teil der Geschichte. Sie setzen sich aneinander wie Puzzleteile. Die vielen Wendungen und Ereignisse machen den Roman sehr unterhaltsam und abwechslungsreich. Auch wenn die Entwicklung der einzelnen Situation manchmal irgendwie naheliegend ist, ist sie nicht immer vorhersehbar. Eine wunderbare Entwicklung, einfach schon und keineswegs kitschig.