Rezension

Zebraland

Zebraland - Marlene Röder

Zebraland
von Marlene Röder

Bewertet mit 4 Sternen

"Zebraland" umfasst 223 Seiten und gliedert sich dabei in 45 Kapitel sowie eine Danksagung der Autorin. Danksagungen lese ich immer recht gerne, denn sie geben einen kleinen Einblick in den Werdegang des Buches sowie lassen etwas Persönlichkeit des jeweiligen Autors / der jeweiligen Autorin erkennen.

Die Kapitel sind alle sehr kurz, umfassen teilweise auch nur eine oder zwei Seiten. Dennoch sind sie zusätzlich in Abschnitte untergliedert, was aber an vielen Stellen eher dem Spannungsaufbau dient, als dem Leser Möglichkeit zum Innehalten zu bieten.

Alle Kapitel tragen keine Kapitelnummer und auch keinen besonderen Titel, sondern sind jeweils abwechselnd mit dem Namen Judith oder Ziggy überschrieben und stellen so klar, aus wessen Sicht die jeweiligen Kapitel geschrieben sind. Das erste und das letzte Kapitel tragen weder Überschrift noch Kapitelnummer und sind zudem in Kursivschrift abgedruckt. Aber dem Leser wird schnell klar, wer der Ich-Erzähler beider Kapitel ist und welche Funktion diese beiden Kapitel einnehmen.

Das Buch ist also aus der Sicht zweier Ich-Erzähler geschrieben, wobei die Erzählperspektive abwechselnd zwischen Judith und Ziggy wechselt. Besonders ist dabei zudem, dass die Kapitel, in denen Judith als Ich-Erzählerin auftritt, in der Gegenwartsform geschrieben sind, während Ziggy in der Vergangenheitsform berichtet. Dennoch ergänzen sich diese beiden Erzähler und ihre Erzählweisen perfekt. Ziggy setzt da an, wo Judith aufhört zu berichten, und umgekehrt. So ergibt sich für den Leser ein komplettes und umfangreiches Bild des Geschehens und dessen Folgen.

Ziggy heißt eigentlich Fridolin, doch sein Cousin hat ihm den Spitznamen Ziggy verpasst. So heißt auch ein Sohn Bob Marleys und da Ziggy und sein Cousin diesen Künstler sehr verehren, soll Ziggy ebenfalls diesen Namen tragen. Überhaupt spielt der Künstler und seine Lebenseinstellung in diesem Buch eine größere Rolle. Zum Inhalt des Buches und den Charaktereigenschaften passt dies ganz gut.

Anouk, Judith und Philipp sind auf der gleichen Schule wie Ziggy. Ihn kennen sie eher vom Sehen, doch werden sie unerwartet durch den schlimmen Unfall miteinander verbunden. Anouk und Philipp sind ein Paar, werden darum von Judith beneidet, die schon seit vielen Jahren Philipps beste Freundin ist und heimlich in ihn verliebt ist.

Die vier bilden im Verlauf des Buches eine Art Zweckgemeinschaft, denn sie leben in der ständigen Angst, doch noch entdeckt zu werden, und versuchen zudem gemeinsam, den schrecklichen Unfall zu verarbeiten. Doch dabei stehen sie unter enormen Druck und jeder der Charaktere versucht, auf andere Art und Weise mit dem Geschehen klarzukommen.

Yasmin ist das Opfer des tragischen Unfalls. Sie trägt an ihrer Schule den Spitznamen "Zebra", weil sie als Türkin stets ein gestreiftes Kopftuch trägt. Doch dies ist nicht der einzige Grund dafür. Sie selbst fühlt sich ebenfalls als Zebra: So, wie man bei diesem nicht weiß, ob es ein schwarzes Tier mit weißen Streifen oder ein weißes Tier mit schwarzen Streifen ist, fühlt sich auch Yasmin. Sie weiß nicht, wo sie hingehört und fühlt sich in keiner Kultur richtig wohl.

Die Entscheidung, nach dem Unfall Fahrerflucht zu begehen und Yasmin ihrem Schicksal zu überlassen, ist schnell und sehr spontan gefällt. Doch ihre Auswirkungen und Folgen werden noch unbegrenzt zu spüren sein.

Zusätzlich wird Spannung dadurch aufgebaut, dass sich bald ein Unbekannter meldet, der irgendwie von dem Unfall und dessen Hergang erfahren hat und nun versucht, die vier Jugendlichen zu erpressen. Sein Ziel ist es dabei vor allem, den Jugendlichen vor Augen zu führen, dass sie Täter eines schrecklichen Verbrechens sind und dafür nun zu büßen haben.

Das Buch ist mit einem Schutzumschlag versehen, den ein sehr interessantes Cover ziert. Eine düstere und geheimnisvolle Stimmung geht davon aus, und so macht das Cover auf jeden Fall neugierig auf das Buch.

Meine Meinung zum Buch:
* * * * * * * * * * * * * *
Das Buch ist nicht sehr umfangreich und so hatte ich es innerhalb kürzester Zeit ausgelesen. Doch dafür sorgt zusätzlich auch die Handlung des Buches, die sehr spannend ist und von der Autorin durch ihren fesselnden und kurzweiligen Schreibstil bestens zur Geltung gebracht wird.

Die Autorin versteht es hervorragend, die Stimmung des Buches durch ihre stilistischen Mittel zu untermalen und zu verstärken. So verwendet sie Einwortsätze, gestaltet die Kapitel sehr kurz und baut an spannenden Stellen Absätze ein. Ich als Leser konnte gar nicht anders, als Seite für Seite umzublättern und der Geschichte gespannt und interessiert zu folgen.

Der Unfall, bei dem Yasmin zu Tode kommt, ereignet sich bereits zu Beginn des Buches und steht damit etwas abseits. Im Mittelpunkt des Buches stehen vielmehr die Folgen dieses Geschehens. Die Jugendlichen überlassen Yasmin ihrem Schicksal und flüchten vom Tatort. Doch ihnen ist zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst, welche Folgen dieses Verhalten haben wird. Es geht vor allem um das Thema Verantwortung und Schuld. Trägt allein Anouk, die den Wagen an jenem Abend gefahren hat, Schuld an dem Unfall und dem Tod? Oder sind sie nicht alle schuldig, weil sie Yasmin einfach haben liegen lassen ohne einen Notarzt anzufordern? Wie geht man mit diesem inneren Druck um, dieser Verantwortung, die auf den eigenen Schultern lastet? Dieses Thema schneidet die Autorin sehr emotional und interessant an, allerdings hätte ich mir hier mehr Tiefgang gewünscht.

Zudem sehe ich einen Kritikpunkt darin, dass sich Ziggy und Judith in ihrer Funktion als Erzähler sehr gleichen, sich aber charakterlich sehr unterscheiden. Es wäre zu erwarten gewesen, dass Judith als Mädchen anders mit dem Geschehen umgeht als Ziggy. Doch die beiden Erzählstränge sind ähnlich sachlich und nüchtern, an anderer Stelle ähnlich emotional. Dadurch verlieren die Charaktere etwas an Authentizität.

Obwohl Yasmin bereits zu Beginn des Buches stirbt, hat sie doch Teil an der Handlung des Buches. Zum Einen geschieht dies natürlich dadurch, dass sich vier Jugendliche intensiv mit ihrem Tod beschäftigen und auseinandersetzen müssen. Zum Anderen taucht jedoch auch ein Tagebuch von ihr auf, aus dem immer wieder Zitate abgedruckt sind, und durch dass sich ihr Gefühlsleben dem Leser offenbart. Diese Idee gefällt mir sehr gut und so erklärt sich dem Leser auch schnell die Bedeutung des Zebras, das immer wieder auftaucht und letztlich dem Buch auch seinen Namen gab.

Der Unbekannte, der sich in der zweiten Hälfte des Buches einschaltet und die Jugendlichen unter Druck setzt, verleiht der Handlung etwas mehr Abwechslung und verbindet das Thema "Schuld" mit dem Thema "Sühne". Denn der Unbekannte möchte die Jugendlichen zur Verantwortung ziehen. Er befiehlt ihnen unterschiedliche Aufgaben, die ihnen vor Augen führen sollen, dass sie Täter eines Verbrechens sind und damit nicht ungestraft davon kommen dürfen. Um wen es sich bei dem Unbekannten handelt, ist mir erst kurz vor seiner Aufdeckung klar geworden. Der Autorin gelingt es gut, hier Spannung aufrecht zu erhalten und den Unbekannten nicht zu offensichtlich zu präsentieren.

Das Ende des Buches ist teilweise etwas unbefriedigend, doch dazu nimmt die Autorin in ihrer Danksagung kurz Stellung.

Mein Fazit:
* * * * * * *
"Zebraland" ist ein spannender und kurzweiliger Roman für Jugendliche, der ein ernstes Thema anschneidet, dafür aber teilweise nur unzureichende Lösungsvorschläge anbietet.