Rezension

Zehntausend Bomben

Als ob es kein Morgen gäbe
von Rawi Hage

Bewertet mit 4 Sternen

"Zehntausend Bomben waren eingeschlagen, und ich wartete auf George."

So beginnt Rawi Hages Roman, der zur Zeit des Libanonkrieges 1982 in Beirut spielt. Und so lakonisch bewegen sich die beiden Freunde Bassam und George in diesem allgegenwärtigen Krieg. Sie sind jung, übermütig, "halbstark", treiben nicht immer ganz saubere Geschäfte, stellen den Frauen nach, nehmen Drogen. Doch immer wieder stoßen sie an die engen Grenzen, die ihnen ein Land im Kriegszustand, eine in christlichen Osten und palästinensischen Westen geteilte Stadt zieht. Als nach seinem Vater auch seine Mutter bei einem Bombenangriff stirbt, ist für Bassam klar: Er muss hier endlich raus, seine Träume von einer Flucht nach "Roma" verwirklichen. George geht einen anderen Weg, verstrickt sich immer mehr in den Krieg, wird Teil der christlichen Milizen, die ihr Geld mit äußerst unsauberen Mitteln machen und mit den Massakern in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Shatila einen schrecklichen Höhepunkt erreichen. War der Krieg zu Beginn noch eine Art Abenteuerspielplatz für die Jugendlichen, ist er nun blutiger Ernst, dem auch die Freundschaft der beiden nicht standhalten kann.

Rawi Hage schildert diesen Kriegsalltag dringlich, in radikaler Sprache, die sowohl lakonisch als auch hochpoetisch sein kann. Er verwendet originelle Metaphern und scheut auch nicht das Pathos. Dabei erzählt er aber so atemlos und dicht, mit schnellen Schnitten und sehr visuell, dass sich das Ganze fast wie ein Thriller liest. Hage betreibt keine Analyse des Geschehens, die Frage von Schuld und Unschuld spielt kaum eine Rolle, zentrale Fragen, auch die psychologische Entwicklung der Protagonisten betreffend, bleiben offen. Mit Bitterkeit und auch ein wenig lakonischem Humor wird die Ausweglosigkeit und Verzweiflung deutlich.

"DeNiro´s game", so der Originaltitel, spielt auf das Russische Roulette an, das der Schauspieler Robert DeNiro in einem seiner Filme spielt, DeNiro ist auch der Spitzname, den George trägt. DeNiro´s game wird auch die Freundschaft von Bassam und George beenden und schafft zudem eine Verbindung zum stark filmisch geprägten Stil des Romans. Schade, dass der Originaltitel mal wieder nicht beibehalten wurde.