Rezension

Zeit der Trauer als Chance

Deine Worte in meinen Händen -

Deine Worte in meinen Händen
von Melissa C. Feurer

Bewertet mit 5 Sternen

„...Meine kleine Schwester heiratet und ich bin eine fünfundzwanzigjährige Witwe. Ich stehe in meinem begehbaren Kleiderschrank, der eigentlich nur eine aufgemotzte Abstellkammer ist, und befinde mich zum dritten Mal an diesem Morgen in einem erbitterten Kampf mit den Tränen. Sie sind zwei zu null in Führung...“

 

Dieses Zitat von der ersten Seite des Buches zeigt den aktuellen Stand der Dinge. Der Unfalltod von Michelles Ehemann Achim liegt erst kurze Zeit zurück. Noch ist sie in einer heftigen Trauerphase. Doch gerade der letzte Satz beweist, dass sie ihren Humor nicht ganz verloren hat.

Die Autorin hat ein bewegendes Buch geschrieben. Wie geht man mit Trauer um? Das Leben geht weiter – mag sein. Aber wie?

Der Schriftstil ist abwechslungsreich. Es gibt viele melancholische Szenen, doch mit dem Fortschreiten des Geschehens schleicht sich nach und nach auch wieder eine gewisse Leichtigkeit ein. Die Geschichte wird aus dem Blickwinkel unterschiedlicher Personen erzählt. Dadurch ergibt sich zum einen ihre Vielschichtigkeit, zum anderen werden die Veränderungen, die die Protagonisten durchmachen, deutlicher.

Die Personen werden gut charakterisiert. Michelle ist Journalistin, hat sich aber eine Auszeit genommen. Ihr Freundin Chrys steht ihr tatkräftig zur Seite und ist meist da, wenn Michelle eine Schulter zum Anlehnen braucht.

Chrys ist Altenpflegerin. Die Probleme des Berufes werden im Buch deutlich angesprochen. Privat hat sie selbst seit der Kindheit ein Päckchen zu tragen.

Lara kommt zu Beginn als Perfektionistin rüber. Doch der Schein trügt.

Achim war Schriftsteller. Er hatte eine Trilogie begonnen. Noch fehlt der abschließende Band. Der Verlag macht Michelle klar, welche Optionen sie hat. Sie entschließt sich kurzerhand, das Buch selbst zu Ende zu schreiben.

Die Autorin wendet ein besonders Stilmittel an. Sie lässt Michelle gedanklich mit Achim sprechen. Das zeigt, wie tief das Verständnis zwischen beiden war. Nur in einem Punkt waren sie unterschiedlicher Meinung. Für Achim gehörte der Glaube zum Leben. Michelle kann damit wenig anfangen. Jetzt wird auch das Thema ihres stillen Gespräches.

 

„...Michelle, du bist der beste Mensch, den ich kenne! Aber den Himmel verdient man sich nicht mit guten Taten. Er ist ein Geschenk, das man einfach nur annehmen muss...“

 

Natürlich geht es in der Zwiesprache auch um das Buch. Es enthält etliche Allegorien zum christlichen Glauben. Deshalb muss sich Michelle nun damit befassen. Gut dargestellt werden die schöpferischen Phasen zwischen Erfolg und Niederlage, zwischen den unbedingten Wille, Achims Werk zu Ende zu bringen, und der Verzweiflung, dem nicht zu genügen.

Und wie das Leben so spielt, sorgt ein Mädelsabend zwar für Lockerheit, hat aber auch ungeahnte Folgen.

 

„...Dabei ist mir eigentlich danach, den ganzen Tag im Schlafanzug zu bleiben, denn schon beim ersten Schritt schickt mein schmerzender Schädel mir einen herzlichen Gruß vom feuchtfröhlichen Vorabend...“

 

Gerade die Gegensätze zwischen Chrys und Lara sorgen für zusätzliche Spannung. Während Michelle lernt, mit ihrer Trauer umzugehen, macht Lara in dieser Zeit die größten Veränderungen durch. Das tut auch ihrer Ehe gut.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeigt, wie Menschen mit ihren Aufgaben wachsen und gemeinsam ihre Ziele erreichen. Es ist nicht glatt gebürstet, sondern spiegelt das Auf und Ab des Lebens wider.