Rezension

Zeitreisen für Fortgeschrittene

Durch die Zeit in meinem Zimmer - Alfred Goubran

Durch die Zeit in meinem Zimmer
von Alfred Goubran

Bewertet mit 3 Sternen

„Zeitzonen sind es, an den Rändern der zivilisierten Welt, die so entstehen. Sie beherbergen jene, die noch nicht ganz aus der Welt gefallen sind.“ (S. 10) – in solch einer Zeitzone lebt Elias. Der Kern seines Lebens ist sein Zimmer und die Zeit seines Alltags ist die Nacht. Namenlos wird anfangs über ihn erzählt, bis er selbst zu Wort kommt. Ein Reigen an Beschreibungen, Gedanken, Ansichten und Ideen verarbeitet Alfred Goubran in seinem Roman. Frei interpretierbar, zuweilen anstrengend zu verfolgen und mit einigen schönen Sätzen, die philosophisch klingen.
Wer ist Elias? Ein Gestrandeter? Ein Verlorener? Einer außerhalb der Gesellschaft? Es ist die Aufgabe des Leser, diese Zuordnung zu treffen und das Leben des Elias' für sich selbst zu deuten. Die Schule hat er abgebrochen, den Eltern schien es egal. Klare Argumente und Zukunftsideen stellten sie schnell zufrieden, genauer hinsehen wollten sie nicht. So haust er nun in einem kleinen Zimmer, hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und verbringt die Nächte im Kneipenviertel seiner Stadt, in denen viele wie er verweilen. Belesen ist er, interessiert an Philosophie und Literatur. Doch für den normalen Alltag taugt er nicht. Als das Geld knapp wird, der Winter aber kalt und ein seltsames Fieber ihn durchschüttelt, verbrennt er fast alles in seinem Heim, auch die Bücher. Im Fieberwahn bricht er auf, geht auf die Reise und findet sich wieder in einem kleinen, seltsamen Bergdorf mit einer alten verstaubten Bibliothek. Die Grenzen verschwimmen zwischen Traum und Realität, auch für den Leser.
Goubrans Roman ist ein seltsames Ding – für mich zumindest. Ich bin beschämt, denn ich weiß nicht viel anzufangen mit Elias. Seine Figur bleibt mir fremd, egal aus welcher Perspektive mir von ihr erzählt wird. Anfangs bin ich vermessen und hege Mitleid mit ihm. Offensichtlich weiß er nicht wohin mit sich und seinem Leben. Fühlt sich fremd, egal in welcher Welt er sich bewegt. Ihm fehlt ein Ziel, ein Antrieb, eine Idee für sich – so denke ich. Der Erzähler hingegen interessiert mich. Seine Sprache gefällt mir, gern würde ich mehr über ihn erfahren und über die Menschen, die „am Übergang“ leben. Seine Ansichten zur Welt und zum Leben haben etwas bestechend klares, zuweilen möchte ich ihnen zustimmen, an anderer Stelle die allzu poetischen Worte überspringen. Doch dieser Erzähler tritt plötzlich zurück und lässt Raum für Elias und Elias eigene Worte. Das verwirrt mich, lässt mich stolpern und zurück blättern. Wer hat am Anfang gesprochen, wo ist er hin und wer erzählt nun. Die Verwirrung bleibt. Sie bleibt im Erzählen und sie bleibt in der Handlung. Ich habe schlicht den Faden verloren. Lest also selbst und bildet euch eine eigene Meinung, meine ist irgendwo zwischen Elias' Zimmer und seiner Schneewanderung abhanden gekommen.