Rezension

Zu viel Potenzial für einen Einzelband

Najaden - Das Siegel des Meeres - Heike Knauber

Najaden - Das Siegel des Meeres
von Heike Knauber

Bewertet mit 3 Sternen

Wo ist nur der rote Faden geblieben?

Allgemein:

Mit „Najaden – Das Siegel des Meeres“ erschien 2018 das Debüt von Heike Knauber bei Blanvalet. Innerhalb der 600 Seiten entführt die deutsche Autorin den Leser in sagenumwobene Länder, in denen zwei königliche Heeresfürsten auf der Suche nach dem Siegel des Meeres einen Raubzug nach dem anderen begehen. Nach der Eroberung der Handelsstadt Glarnos entführen sie die junge Meliaé, die Tochter des Gilde-Ersten, in der Hoffnung, dass sie über wichtige Informationen bezüglich des Siegels verfügt. Doch nicht nur die Heeresfürsten haben Interesse an ihr, auch der Meeresfürst Miltiades ist hinter Meliaé her, um ihr zu zeigen, wer sie wirklich ist.

Mein Bild:

Über 600 Seiten Paperback mit einem maritimen Cover, das gefühlt schon nach Meerjungfrauen schreit, lagen vor mir. Der Klappentext las sich, als müsste eine Prophezeiung durch die Protagonistin erfüllt werden. So richtig straight ging es allerdings nicht auf dieses Ziel zu, getreu dem Motto „viele Wege führen nach Rom“. Dementsprechend habe ich eine durchwachsene Meinung zu dieser High-Fantasy-Geschichte und könnte endlos darüber philosophieren, aber ich versuche mich trotzdem zu fokussieren.

Heike Knauber hat einen fantastischen Schreibstil, der das Mystische mit dem Altertümlichen perfekt verbindet. Teilweise kam ich mir vor, als müsste ich eine Quest erfüllen, werde von Aufgabe zu Aufgabe geleitet und darf dabei Hafenstädte, tropische Inseln, den Meeresgrund und Wüstenpaläste besuchen. Die Beschreibungen sind bildreich, aber nicht zu ausgeschmückt, weil es hier definitiv reale Vorbilder aus verschiedenen Kulturen gibt. Ich hatte einfach das Gefühl, das mir das Ein oder Andere bekannt vorkam.

Ebenso vermischen sich griechische und orientalische Mythologien inklusive lebendig gewordener Sagengestalten und Legenden. Beispielsweise begegneten mir hühnenhafte Männer, die ihrem Äußeren einen Schakalkopf verleihen können, genauso wie Männer, deren Körper zur Hälfte Mensch, zur Hälfte Pferd sind. Und glaubt mir, das sind längst nicht alle Wesen in diesem Buch! Es gibt sogar ein Glossar dazu, in denen zusätzlich noch Götter, Orte und Gegenstände erklärt werden. Nicht zu vergessen die Karten auf den Innenseiten der Buchdeckel. Wer jetzt denkt, das ist alles, täuscht sich. Denn welteigene Legenden haben einen sinnbildlichen Touch von Prometheus, Medusa & Co.. Zudem musste ich den ein oder anderen Begriff, wie „Fibeln“ (Spangen, Halterungen für Gewänder) oder „Legat“ (Gesandter/Befehlshaber), googlen, weil ich mich einfach nicht auskannte. Im Klartext: Es war zu viel Historie und Mythologie für meinen Geschmack und unterbrach zeitweise den Lesefluss. Weniger wäre hier mehr gewesen.

Jedoch nicht nur dort! Die Story verlor sich in zu vielen Nebenhandlungen, wie urvölkermäßige Rituale, Familiendramen, blutige Auseinandersetzungen und Dreiecksbeziehungen, so dass ich mich irgendwann fragte, um was es hier eigentlich geht? Die Protagonistin Meliaé war mir dabei jedenfalls keine Hilfe. Ich verstand ihre Entwicklung kaum. Vom Zeitpunkt der naiven 15-Jährigen Handelstochter, die entdeckt, dass sie kein Mensch ist, gibt es einen gigantischen Zeitsprung von 4 Jahren, die mir im Endeffekt gefehlt haben. Denn, zack, ist sie eine amazonengleiche Heilerin im Urwald. Lustigerweise hat sie dabei ihre Naivität nicht verloren, why? In ihren Entscheidungen wurde sie erst gegen Ende selbstbewusster, bis dato rollte ich diverse Male mit den Augen.

Allem voran, weil sie ihre Rolle als Frau, die in dieser Welt sowas von nichts zu sagen hat und eigentlich nur als Objekt herhalten darf, akzeptiert. Es gab nur wenige Ausnahmen, in der sie die furchtlose und kluge Magiebegabte durchscheinen lässt. Das hat für mich nicht gepasst. Ebenso wie ihr männlicher Gegenpart Sayaf. Eine Heeresfürst mit Gewissen, der sich darin verrennt. Obwohl seine traditionell geprägten Beweggründe für mich einfacher nachzuvollziehen waren. Ein wirklich widersprüchliches Paar.

Mein Lichtblick in diesem Potpourri war der najadische Meeresfürst Miltiades: Stolz, loyal, klug und das Herz am rechten Fleck. Ich mochte ihn und finde, er ist der Einzige, der langfristig die richtigen Entscheidungen trifft. Überhaupt fand ich das Volk der Najaden furchtbar spannend. Leider verspricht der Klappentext zu viel, denn Najadis habe ich nie kennengelernt.

Trotz der Komplikationen, den Verlust des roten Fadens und der Vielzahl an Darstellern, muss ich der Autorin eines lassen: Langatmig ist die Story nicht. Es passiert tatsächlich immer etwas inklusive einiger Überraschungen. Schlussendlich taucht der rote Faden auch wieder auf (wer hätte es gedacht) und das Ende um Meliaé und Sayaf stimmte mich versöhnlich.

Fazit:

Für FantasyleserInnen, die einen Faible für griechische und orientalische Mythologien haben und gern über Umwege zum Ziel gelangen. Für mich war die Welt um das nicht gesehene Najadis zu komplex für einen Einzelband.