Rezension

Zwillingsprobleme.

Tee für die Geister -

Tee für die Geister
von Chris Vuklisevic

Bewertet mit 4 Sternen

Gespenster sind überall. Diese Geistergeschichte macht einfach nur Spaß!

Zwei schon betagte Zwillingsschwestern, Felicité und Eugonia gehen auf die Suche nach ihren Vorfahren, um zu klären, wieso ihre Mutter nur eine von ihnen geliebt hat und warum sie 300 Jahre alt werden konnte.

Der Kommentar und das Leseerlebnis:
Bin ich schon wieder im sogenannten Magischen Realismus gelandet? Ich brauche keine eigene Bezeichnung für Literatur, die sich zwischen Märchen und Legende angesiedelt hat. Aber wers braucht, brauchts.
Die Autorin kleidet die Suche nach Identität und Selbstannahme in die Legende um verlassene Bergdörfer. Dort spukts, sagen die Leute. Denn die Dörfler sind nicht ohne Grund von dort abgehauen und haben alles stehen und liegen lassen. Könnte der Grund dafür sein, dass es Bergrutsche gab? Nein, natürlich nicht, die Hexen sind schuld!
Einst hausten auf dem Mont Bégo Mutter Carminé und ihre beiden Töchter, Felicité und Eugonia. Alle sind Hexen. Jede ist mit einer besonderen Gabe ausgestattet. Felicité verlässt mit 16 den Mont Bégo und geht in Nizza in die Lehre von Marine, die ihr die Teezeremonien beibringt, mit denen man die Geister Verstorbener zum Reden bringt. Die Geister sind schließlich überall, nur sieht sie nicht jeder. Nur die Geister, die mit sich im Reinen sind, dürfen ganz verschwinden und zur Ruhe kommen. Dafür sorgt Felicité, sie ist eine Geistschleuserin.
Schon die Erfindung dieses neuen Berufszweigs mit seinen vielen tausend komplizierten Teezeremonien, macht großen Spaß. Felicité muss ihre eigene Teekannenherde aufbauen, dafür muss sie vorsichtig zu Werke gehen, wie ihr die Lehrmeisterin erzählt. Denn die Mutterkanne (erste erworbene) wird die anderen dirigieren und sie gegen Felicité aufhetzen, wenn sie nicht ein kluge, ergebene Mutterkanne auftreibt. Die Teekannen sind nämlich sehr eigenwillig und wenn Felicité die Hand ausstreckt, kommt die Teekanne, die sie möchte, ihr in die Hand geflogen, aber nur, wie gesagt, wenn die Mutterkanne, sie entsprechend geschult und gedrillt hat. Es macht etwas Mühe, aber Feli zähmt ihre Teekannenhorde. Einmal allerdings fliegen sie weg durch das offene Dach, dessen Zerstörung Eugonia zu vertreten hat.
Mit der Schwester lebt Felicité im Clinch. Auch diese Figur ist überaus einfallsreich gestaltet. Eugonia ist eine Ausgestoßene. Es dauert Ewigkeiten bis sie ihren Platz in der Gesellschaft findet. Was Eugonia berührt, wird vom Zeitstrudel erfasst und altert blitzschnell und wenn sie redet, entkommen ihrem Mund todbringende Schmetterlinge. Sie, ansonsten wunderschön, hat auch nur einen einzigen Zahn und wurde von einem Schaf gesäugt.
Die Autorin spielt mit den Ängsten, die das Andere in uns auslöst. Das, was unheimlich ist und nicht zu verstehen. Und das macht sie sehr reizvoll. „Tee für die Geister“ ist ihr zweiter Roman, der in Frankreich den Grand Prix de l’Imaginiare 2024 errang sowie den Prix Imaginales 2024. Und das wundert mich nicht, denn ich kann gar nicht alle vergnüglichen Details aufzeigen, die Chris Vuklisevic buchstäblich tanzen lässt; vielleicht noch die Sache mit den geheimenen Zweitnamen. Den hat jeder, aber es weiß ihn nicht jeder. Weshalb auch die Autorin unter ihrem Geheimnamen Ana Vivalda publiziert (klingt französischer).
Neben dem Zauber liefert die Autorin gleich am Anfang, wenn die Erzählerin von Nizza aus in das Bergdorf fährt, reizvolle Landschaftsbilder und später, als Feli nach Nizza zieht, schildert uns die Autorin malerisch ihre Heimatstadt, spart nicht mit Lokalkolorit und mit Seitenhieben auf den Tourismus. Auch das Thema Unsterblichkeit und Schönheitswahn kommt aufs Tapez, aber all dies unaufdringlich. Wenn mans interpretieren mag, interpretiere man es, wenn nicht, habe man seinen Spaß an einer originellen Geistergeschichte.
Chris Vuklisevic literarische Gestaltungsmittel sind vielfältig und die Autorin experimentiert auch gern, manche Unterhaltungen schreibt sie als Gedichte. Diese Experimentierfreude muss man mögen, ich finde sie reizvoll.
Ich geh jetzt Tee machen, um die Geister in meinem Haus sichtbar zu machen. Aber wo kriege ich phantofassbare Teetassen her? Ach je, ich bin ja gar keine Hexe. Dann eben nicht. Obwohl, weiß mans.

Fazit: Originelle Geistergeschichte, allerdings ein wenig weitschweifig. 

Kategorie: Gespenstergeschichte. Magischer Realismus.
Verlag: S. Fischer, 2024

Kommentare

janegleichner kommentierte am 12. September 2024 um 04:32

Oh, es ist genau das Buch, nach dem Geometry Dash World und ich so lange gesucht haben. Es ist das beste Horror-Genre, das ich je gelesen habe.

wandagreen kommentierte am 14. September 2024 um 17:39

Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.