Rezension

Zwischen True Crime und Hafenliebe

Tatort Hafen - Tod an den Landungsbrücken -

Tatort Hafen - Tod an den Landungsbrücken
von Kästner & Kästner

Bewertet mit 5 Sternen

Der Barkassenkapitän Dominic Lutteroth wird tot auf seinem an den Landungsbrücken liegenden Ausflugsdampfer aufgefunden. Das mediale Interesse ist groß und die erfahrene Hauptkommissarin Jonna Jacobi wird mit den Ermittlungen betraut; unterstützt wird sie dabei von dem Wasserschutzpolizisten Tom Bendixen, der "seinen" Hafen kennt wie kein zweiter. Mit im Boot ist auch die Psychologin Charlotte Severin vom Opferschutz, die die Witwe unterstützen soll, jedoch auch eigene Probleme mit dem plötzlich wieder aufgetauchten gewalttätigen Vater ihrer Tochter hat ....

Hinter "Kästner & Kästner" verbergen sich die Eheleute Angélique und Andreas Kästner; Angélique eine promovierte Psychologin und erfahrene Autorin zahlreicher Bücher, Andreas ehemaliger Hauptkommissar der Hamburger Wasserschutzpolizei. Ihre Erfahrungen und Erlebnisse sind in dem fast wie eine True Crime Story anmutenden Kriminalroman "Tod an den Landungsbrücken" eingegangen und die Liebe der Autoren zum Microkosmos des Hamburger Hafens spricht aus jeder Zeile. Gerade die detaillierten Insiderkenntnisse machen dieses Buch zu etwas ganz besonderem und heben es angenehm von der Masse der zahlreichen Regionalkrimis ab.

Beginnend mit dem Mord am klassischen Barkassenkapitän spannt sich ein gefälliger Spannungsbogen über das gesamte Buch, um schließlich nach einem actionreichen Showdown eine logische und nachvollziehbare Auflösung zu finden. Fleißige Polizeiarbeit, zahlreiche Wendungen, frustrierende Sackgassen und immer neue Erkenntnisse lassen den Leser miträtseln, doch lange Zeit hatte ich überhaupt keine Idee, wie sich die losen Enden sinnvoll verbinden lassen sollten, so dass die Spannung stetig wuchs.

Der angenehme Schreibstil machte das Lesen zu einem Vergnügen, das obendrein noch sehr lehrreich war, denn es gab viel über die Arbeit der Wasserschutzpolizei zu erfahren und Fachausdrücke (z. B. "ausklarieren" als das Erledigen von Formalitäten beim Auslaufen aus einem Hafen) oder sprachliche Besonderheiten (Polizisten als "Schmiermichel" ) zu entdecken, die selbstverständlich erklärt wurden. Somit fühlte ich mich beim Lesen nicht nur aufgrund der genauen, mit viel Kenntnis und Liebe vorgetragenen Beschreibungen der Geschehnisse, sondern auch der Sprache, voll im Hafen zuhause.

Die Hauptfiguren Jonna, Tom und Charlotte werden aufs Genaueste geschrieben; sie alle waren mir sympathisch und wirkten in ihrer Arbeit, aber auch ihren privaten und beruflichen Problemen sehr authentisch, so dass ich gerne mit ihnen mitfieberte. Aber auch die Ausarbeitung der Nebenfiguren - allen voran der außergewöhnliche, tolle Kollege Toms, genannt Quetsche, oder die widerwärtige Chefin und Gegenspielerin Jonnas, ist überaus gelungen und ich hatte während des Lesens ein bildreiches Kopfkino.

Abgerundet wird der Krimi durch zwei Karten vorne und hinten im Buch, so dass sich die Wege der Handelnden gut nachverfolgen lassen.

Die Entwicklung der Polizisten ist - im Gegensatz zu dem hier geschilderten Fall - nicht abgeschlossen und verspricht noch einiges an Dramen, so dass ich den zweiten Band dieser Dilogie, der für Dezember 2024 angekündigt ist, sehnlichst erwarte.

"Tod an den Landungsbrücken" sticht aus dem Gros der (regionalen) Kriminalromane heraus - ein Muss für jeden Hamburg-Fan und allen Lesern, die sich über die Schilderung nicht alltäglicher Aufgaben der Polizei wie denen der WSP, freuen, wärmstens zu empfehlen.