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Die Kindheit endet tatsächlich erst dort, wo die Geschichte unserer Eltern zur eigenen Geschichte wird und wir vor ihren wie vor den eigenen Abgründen die Augen nicht mehr verschließen können.
Maria-Maria reist nach Rumänien, um ihren verunglückten Vater zu besuchen und ihn, trotz seiner besitzergreifenden Geliebten, zusammen mit ihnen zu betreuen. In seinen Augen hat sie, die Tochter, die reale Utopie der kommunistischen Gesellschaft verraten. Sie wiederum erkennt in ihm ausschließlich den festgefahrenen Parteirhetoriker, der sich als moralische Instanz aufspielte, anderen Opfer abverlangte, aber selbst ein bigottes Leben führte.
Der neue Roman von Carmen-Francesca Banciu handelt vom Tod eines vermeintlichen Patrioten, für den Vaterland, Partei und der Aufb au einer neuen Gesellschaft stets den wichtigsten Platz in seinem Leben einnahmen und von der Liebe, die man sich von den Eltern erhofft, die einem versagt bleibt, und die man selbst zu geben vielleicht nicht imstande ist. Sie spürt der Frage nach, wie man Abschied von den Eltern nehmen, wie man mit ihren Lebenslügen umgehen kann, und welche persönliche Veränderung man dabei erfährt.
Die versartige Sprache des Romans überträgt die Dramatik der zwischenmenschlichen Beziehungen direkt auf die Leser, die dadurch Teil des Erzählten werden. Banciu beobachtet das Sterben des Vaters, sie horcht und wartet. In der Wiederholung entfalten die Worte ihre Suggestivkraft. Banciu umkreist ihre Figuren, schöpft aus Erinnerungen wie aus einer geteilten Gegenwart. Ein Wort zieht das nächste nach sich. Man erlebt, wie sich Gedanken formen und wie sie wieder in sich zusammenstürzen. Ihr Abgesang auf die ideologische Überhöhung der Familie, der Partei und des Vaterlandes steckt voller Mut und Aktualität.
Es fällt mir schwer, die richtigen Worte zu finden, um das Buch von Carmen-Francesca Banciu zu bewerten. Es wird zwar als Roman bezeichnet und im Gesamtkontext fühlt sich das Gelesene auch irgendwie romanhaft an, trotzdem erinnert die Aufbereitung des Textes eher an einen tiefgründigen, nachdenklichen Poetry-Slam. Dabei ist die Dichtkunst auf einem hohen Level unterwegs.
Kurz vor dem Ableben ihres Vaters lässt Maria-Maria die Vergangenheit mit ihren Eltern und deren Gefährten,...
"Für Vater waren drei Dinge wichtig
In der festgefügten Reihenfolge
Das Vaterland
Die Partei
Die Ehre der Familie
So hat Vater mir das erklärt
Schon in meiner Kinderzeit..."
Der Vater war ein glühender Anhänger der Partei, er wollte ein neues Land schaffen. Dafür arbeitet er ständig und bringt Opfer; er vernachlässigt seine Frau und seine einzige Tochter. Oder darf man das auch anders sehen - hat er einfach immer nur das getan, was ihm gefiel...
Das Buch befindet sich in 4 Regalen.