Rezension

1 + 1 = 2 (?)

Zu zweit - Irène Némirovsky

Zu zweit
von Irène Némirovsky

Bewertet mit 3.5 Sternen

Mit „Zu zweit“, Irène Némirovskys großem Roman über die Anatomie einer Ehe, wird die deutschsprachige Edition ihrer Werke abgeschlossen. Wie in „Suite française“ zeigt sich die Autorin auf der Höhe ihres schriftstellerischen Könnens. Mit scharfem Blick und emotionaler Klarsicht untersucht sie den schwierigen Übergang einer rauschhaften Liebe in erfüllten Ehealltag und erforscht die Bande, die zwei Menschen über die Jahre zusammenhalten. (von der Knaus-Verlagsseite kopiert)

 Als Jugendliche treiben sich Antoine und Marianne mit einer Clique Gleichaltriger herum: Bars, Partys und wechselnde Pärchenbildungen. Marianne scheint sehr verliebt in Antoine, während er zunächst mit ihr spielt, sie an der Nase herumführt und ständig versetzt. Erst als Marianne beschließt, genug von ihm zu haben, macht er einen Heiratsantrag.

Sie bekommen zunächst zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn, der kränklich ist. Antoine, der wegen Zuwendungen seines Vaters nie gearbeitet und das Studium abgebrochen hat, muss sich nach dessen Tod eine Arbeit suchen und scheint als Teilhaber einer Firma erfolgreich zu werden. Doch dann tritt eine andere Frau in sein Leben, anscheinend endlich die große Liebe, die mit einer Katastrophe endet. Marianne weiß nichts, sie ahnt es nur.

Sie fühlt sich im Stich gelassen, beklagt still für sich das Verschwinden der Liebe und der Leidenschaft, auch ihrer eigenen.

Zum ersten Mal erlebt man in einem Buch von Némirovsky, dass man ihren Figuren nicht folgen kann, sondern eher mit Kopfschütteln als mit Verständnis begegnet. In den Anfangskapiteln wird man ständig zwischen den Gefühlen unterschiedlicher Personen zu unterschiedlichen Personen umhergeworfen – das mag man noch als jugendliche Unentschlossenheit deuten, die den Begriff der Liebe inflationär verwendet. So wirkt auch Antoines Heiratsantrag wie ein spontaner, aus einer momentanen Laune heraus getroffener Entschluss.

Das Wunder ist nicht, dass es nach kurzer Zeit schon zu außerehelichen Beziehungen kommt, sondern dass es überhaupt zwischen ihm und Marianne funktioniert, obwohl er sich für seine Kinder nicht interessiert und sie zwischen Haushalt, Kindern und gelegentlichen Besuchen nichts allein für sich selbst zu haben scheint.

Die beiden Herkunftsfamilien im Hintergrund, das Zusammenspiel zwischen Eltern und Geschwistern beleuchten die Rollen, die Antoine und Marianne in ihre Ehe übernommen haben. Außer Antoines Mutter und einer von Mariannes Schwestern erhält keine der Figuren ein klares Gesicht.

Irène Némirovsky bildet ein Stück normales Eheleben mit den alltäglichen Höhen und Tiefen ab. Wenn die glühende Liebe und Leidenschaft des Anfangs erloschen sind. Wenn Mann und Frau eine neue Basis für einander finden müssen, um nicht zu scheitern. Wenn es im günstigsten Fall für einem freundschaftlichen Zusammenleben, im schlechtesten Fall zu einer Trennung kommt.

Die Autorin zergliedert die Gedanken und Gefühle, die augenblicklichen Stimmungen und die jeweilige Seelenlage genau und wie man es von ihr kennt, jedoch arbeitet sie mit Zeitraffung, so dass Nachvollziehbarkeit und Verständnis für die gerade eingetretene Situation und ihre Atmosphäre verloren gehen, weil man den Eindruck hat, dass Übergänge oder Brüche nur schwer Anbindung finden.

Dennoch: Auch ein Roman von Némirovsky, der nicht so begeistert wie zuletzt „Das Missverständnis“ oder der Klassiker „Suite francaise“ ist immer noch ein sprachlich und thematisch ausgezeichnetes Buch.