Rezension

100-jährige Familiengeschichte, in der die Spannung zu früh vorweggenommen wird

Wege, die sich kreuzen - Tommi Kinnunen

Wege, die sich kreuzen
von Tommi Kinnunen

Bewertet mit 3 Sternen

Maria arbeitet Anfang des 20. Jahrhunderts als Hebamme in Finnland und ist eine selbstbewusste Frau, die sich bewusst für ein Leben als alleinerziehende Mutter entschieden hat. Ihre Tochter Lahja ist Fotografin und sehnt sich später nach Liebe und Geborgenheit in einer Partnerschaft, die ihr Ehemann Onni ihr nicht geben kann. Er kämpft mit seiner Krankheit und seinem schlechten Gewissen und möchte zumindest ihren drei Kindern ein guter Vater sein. Kaarina kommt mit der Gefühlskälte und rückständigen Art ihrer Schwiegermutter Lahja, die sie ihr Leben lang siezen wird, nicht zurecht. Das Leben unter einem Dach, das Onni mit eigener Kraft gebaut hat, ist von Konflikten geprägt. Erst nach dem Tod ihrer betagten Schwiegermutter kann Kaarina das Geheimnis der Familie ihres Ehemannes lüften und eine Erklärung für das Verhalten und die Sprachlosigkeit finden.

Tommi Kinnunen erzählt eine 100-jährigen Familiengeschichte, die spannender klingt, als sie tatsächlich ist.
Der Aufbau und die Schilderung aus verschiedenen Perspektiven der Generationen, wobei die Erzählung nicht stringent chronologisch erfolgt, sondern der/ die Leser/in immer wieder Jahre zurückversetzt, ist schon fast der interessanteste Aspekt der Geschichte. Details der Familiengeschichte, die aus einer Perspektive nur angedeutet werden, werden erst durch einen anderen Blickwinkel klarer und erzeugen ein facettenreicheres Bild über die Charaktere.
Das Familiengeheimnis wird dennoch zu früh gelüftet, weshalb die Geschichte an Spannung einbüßt und viele rein nebensächliche Episoden dagegen zu ausführlich beschrieben werden.

Die Familie lebt zusammen in einem Haus, das jedoch so groß ist, dass jeder seinen eigenen Raum beanspruchen kann und sich die Wege der Familienangehörigen kreuzen und mehr neben- statt miteinander leben. Eine offene Kommunikation ist unter diesen Umständen erschwert. Die Geschichte ist von Enttäuschungen und Unzufriedenheit geprägt, auch wenn durch kleine Gesten auch Hoffnung und Zeichen von Verantwortung durchschimmern, die über ein bloßes Verwandtschaftsverhältnis hinausgehen.