Rezension

11 und mehr

Elf Tage in Berlin
von Håkan Nesser

Bewertet mit 4 Sternen

Einen Nobelpreis wird er wohl nicht bekommen. Arne Murberg ist von schlichterem Gemüt. Nach einem Badeunfall in der Kindheit hat er Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren und komplexere Zusammenhänge zu erfassen. Aber Arne ist ein warmherziger, liebenswerter Mensch, der sich eine kindlich naive, offene Art bewahrt hat und voll Vertrauen auf das Leben blickt. Als sein Vater ihm auf dem Totenbett offenbart, dass seine Mutter nicht tot ist, wie Arne geglaubt hat, sondern in Berlin lebt, und ihm gleichzeitig den Auftrag gibt, sie dort aufzusuchen und ihr ein verschlossenes Kästchen zu übergeben, beginnt für ihn ein wundersames Abenteuer. Mit äußerst rudimentären Deutschkenntnissen und einem Paar strapazierfähiger gelber Schuhe (stimmt so nicht, A.d.R.) macht Arne sich auf die Reise – und gerät schon bald in Schwierigkeiten. Doch ihm zur Seite stehen zwei Menschen, die der Himmel höchstpersönlich geschickt zu haben scheint: ein etwas wirrer Professor und eine kluge junge Frau im Rollstuhl. Wird Arne seiner Mutter begegnen? Wird er sein Glück finden in Berlin? (von der btb-Verlagsseite kopiert)

Zunächst stellt Nesser in drei „Vorspielen“ die Hauptfiguren seines Romans vor: Arne Murberg, einen nach einem Unfall geistig trägen, aber freundlichen jungen Mann, der sich anschickt, das Versprechen gegenüber seinem sterbenden Vater zu erfüllen; Beate, Tochter eines Pastors, Jüngste von fünf Kindern und kränklich, die inzwischen im Rollstuhl sitzt und ein eigenständiges Leben in Berlin führt; Professor Anatolis Litvinas, der seit Jahren in der Psychiatrie sitzend merkwürdigen Studien und Forschungen zur Wiedergeburt nachgeht, nun aber auf Probe entlassen wird.

Arne muss nach Berlin reisen, um seine Mutter zu suchen und ihr ein Kästchen mit unbekanntem Inhalt zu übergeben, so wollte es der Vater. Sein Onkel Lennart, bei dem er inzwischen lebt, bringt ihm ein paar Brocken Deutsch bei. Ausgerüstet mit Handy, Stadtplan und Euros fliegt Arne ins unbekannte Berlin, wo er sich bemerkenswert gut zurechtfindet, dabei vor allem mit Alkohol, der ihm eigentlich verboten ist, ganz neue Erfahrungen macht.

Er gehört zu der Sorte liebenswerter Protagonisten, die der Leser gern an die Hand nehmen und vor der Bösartigkeit der Welt beschützen würde. Wie erleichternd, dass Arne seine Helferin selbst findet, Beate, die Schwedisch studiert hat nur wegen ihrer Liebe zu Astrid Lindgren und deren Buch „Die Brüder Löwenherz“.

Dennoch gerät er in Gefahr: Durch den irren Professor Litvinas, der in ihm einen Gehilfen findet, den er offenbar für sein Experiment, das die Wiedergeburt beweisen soll, braucht.

Man mag sich fragen, was der parapsychologische Einschub in dieser real angesiedelten Erzählung soll, welchen Sinn er hat.

Nesser spielt. Er spielt mit Astrid Lindgrens Buch, dreht es und macht es zu einem Vexierspiegel seines Romans, indem er das Motiv des Beschützers, der in der zweiten Geschichte mit seinem Schützling quasi die Rollen tauscht, variiert. Auch übernimmt er Lindgrens Metaebene einer anderen Welt und das Motiv des Feuers.

Macht man sich Nessers literarisches Getändel bewusst, kann man den Abstecher auf eine paranormale Ebene mühelos einordnen und mit Spaß lesen.

 

Dass Nesser immer wieder für Überraschungen gut ist, beweist er mit diesem Buch einmal mehr. Dass er seine Leser gern zum Knobeln verführt, auch.