Rezension

25 Jahre nach Mondscheintarif

Eine halbe Ewigkeit -

Eine halbe Ewigkeit
von Ildiko von Kürthy

Bewertet mit 4 Sternen

Cora Hübsch, die Kinder aus dem Haus, ihr Mann begleitet gerade den Jüngsten zum Start eines Collegejahres nach Großbritannien, entdeckt beim Entrümpeln und Entsorgen von Altpapier ihr altes Tagebuch - Mondscheintarif - 25 Jahre sind seitdem vergangen. Die Verzweiflung darüber, wie sie ohne Kinder im Haus ihr Leben gestalten soll, weicht beim Anblick der Zeilen, aus einem scheinbar anderen Leben schnell weiteren grundsätzlicheren Fragen und auch schmerzhaften Erinnerungen. Wie hat sich ihr Leben entwickelt? Hat sie das Leben gelebt, dass sie immer wollte? Hat sie womöglich das bessere Leben verpasst? Wo ist sie selbst geblieben, jenseits der Mutterrolle für ihre drei Kinder, die sie in über zwei Jahrzehnten vollkommen beansprucht hat?

Wie es der Zufall will, begegnet sie am übervollen Altpapiercontainer einer alten Kollegin und landet durch diese kurzerhand in einer Hochzeitsvorbereitung und -Gesellschaft und einem Wochenende, das viele unerwartete Erkenntnisse, Begegnungen und Wendungen in ihr Leben bringen wird. 

Auf diesem turbulenten inneren Weg und ereignisreichen Wochenende begegnen uns viele Lebensweisheiten übers Muttersein, Partnerschaft, die Vergeblichkeit von Neuanfängen, aber auch Freundschaft und das Wunder der Wahlfamilie.

Phasenweise fehlte mir jedoch etwas Tiefe in der Erzählung, zu klischeehaft werden weibliche Rollenbilder reproduziert, das Bild einer Frau in der Menopause gewollt komisch ausbuchstabiert und Cora in ihrem Selbstmitleid porträtiert. Im letzten Drittel entwickelt sich der Roman jedoch noch einmal, was auch an einer weiteren Ebene der Geschichte liegt, die hier an Bedeutung gewinnt. Zwischen den Zeilen, den Menopausenproblemen, weiblichen Komplexen und wehmütigen Gedanken an ihre alte Liebe Daniel schwebt immer wieder die Erinnerung an Johanna, Coras beste Freundin seit der Grundschule. Was mit ihr passiert ist, löst sich erst nach und nach auf. Dieser Teil ist für mich der stärkste der Geschichte und hat mich zuletzt sogar ein paar Tränen gekostet. 

Wirklich toll ist der kurzweilige und eingängige Schreibstil, ich habe die 300 Seiten in einem Rutsch gelesen.

Ein herzerwärmender, manchmal komischer Roman über eine Frau Mitte 50 und die alltäglichen wie auch weniger alltäglichen Herausforderungen des Lebens.