Rezension

28 Tage, die ein ganzes Leben verändern können

28 Tage lang - David Safier

28 Tage lang
von David Safier

Bewertet mit 5 Sternen

Nachdem ich David Safiers letzten Roman "Muh!" gelesen hatte, dachte ich mir, dass die Geschichte zwar ganz nett gewesen sei, es aber langsam Zeit für etwas anderes werde. Es braucht eine Geschichte in der der Autor neue Seiten von sich zeigen könne.

Monate später sah ich einen Beitrag in einer Talkshow über Safiers neues Projekt. Mein Interesse war geweckt, weil sich der Autor nun dem schwierigen Thema "Holocaust" zuwendet. In der Talkshow habe er darüber berichtet, dass er die Geschichte schon über 20 Jahre mit sich herumtrage und froh sei, sie endlich schreiben zu dürfen. Grund sich diesem Thema zu nähern, sei vor allem der Tod seiner Großeltern, die in unterschiedlichen Konzentrationslagern ermordet wurden.

Das Hörbuch wurde mir als Rezensionsexemplar vom Argon Verlag zur Verfügung gestellt. Produziert wurde es in autorisierter Fassung, was bedeutet, dass die Kürzungen des Romanes nach Rücksprache mit dem Autor, des Lektors und des Literaturagenten vorgenommen wurden. Gelesen wird der Roman von Maria Koschny, die es schafft die Spannung, den dauerhaften Adrenalinschub, der mich beim lesen begleitete, wunderbar zu transportieren. Sie konnte sich sehr glaubhaft in die verschiedenen Charaktere hineinversetzen und hat deren Gefühlsleben, die Angst vor den Brutalitäten der Nazis und die Ungewissheit, wie ihr Leben weitergehen werde, sehr gut umgesetzt.

Inhaltlich fand ich die Geschichte um Mira, die wie die anderen Ghettobewohner, ums Überleben kämpft sehr realistisch und vor allem bedrückend dargestellt. Normalerweise kann man sich bei fiktiven Romanen, wie beispielsweise "den Tributen von Panem", damit trösten, dass die Hungerspiele denen die Kinder dort ausgesetzt sind ja nicht "in Echt" passiert sind. Hier hingegen sorgt vor allem der historische Hintergrund, dass es den Holocaust wirklich gab, für die traurige Handlung, weil schnell klar ist, dass kein Wunder passieren wird, welches die gesamten Ghettobewohner vor dem Tod bewahrt.

Sehr schön aufgebaut, finde ich in "28 Tage lang" die Handlungsstränge der Geschichte. Zum einen, weil es die Geschichte in der Geschichte gibt. Eine Fantasie / Traumwelt in die sich Mira flüchtet um die Geschehnisse aufzuarbeiten und für sich herauszufinden, was sie wirklich will. Diese Stränge werden sehr gut aufgebaut, miteinander verknüpft und wieder "entsponnen".

Zum anderen, weil bis zum Schluss nicht klar ist, ob Mira und ihren Gefährten nicht doch irgendeinen Ausweg aus dem Ghetto finden. Was ebenfalls auf gut verstrickte Handlungsstränge hindeutet, ist die Tatsache, dass die Geschichte gut ineinander übergeht. Es gibt keine großen Pausen, in denen nichts passiert und keine Stelle an der man gar nicht weiß, welche Situation am spannendsten ist.

Auch der Spannungsbogen wird über die ganze Geschichte hinweg gehalten. Gerade im Warschauer Ghetto sind die Juden der Unberechenbarkeiten der Deutschen ausgesetzt. Die Absprachen, die an einem Tag Leben retten, können am nächsten für den Untergang sorgen. So gerät Mira in eine Menge brenzliger Situationen, in denen ich mit ihr gelitten und mich gefragt habe, wie sie da wohl wieder herauskommt.

In "28 Tage lang" hat mich David Safier mit seinem neuen Schreibstil sehr überrascht. Während er in seinen bisherigen Romanen mit einem locker, leichten, humorvollen Stil überzeugt und somit eine lebendige Geschichte erzählt hat, habe ich mich gefragt, ob er auch die andere Seite, das Ernsthafte, transportieren könne.Ich finde, dass ihm dies hervorragend gelungen ist. Er hat es geschafft die Spannung, die nackte Angst um das Überleben glaubhaft zu transportieren. Außerdem versteht er sich wunderbar darauf die verschiedenen Facetten der Geschichte zu beleuchten.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich einen sehr positiven Gesamteindruck von dem Roman habe. Für viele Schüler ist der zweite Weltkrieg weit weg. Es wird oft mit eintönigem, staubigen Geschichtsunterricht gleichgesetzt. David Safier sorgt mit seinem Roman dafür eine fiktive Geschichte mit realen Hintergründen zu vereinen. So bietet er - neben den ganzen nüchternen Dokumentarfilmen - eine neue Diskussionsvorlage zum Thema.