Rezension

Absurde Ereignisse, makabre Symbolik, flüssig zu lesen

Das Museum der Stille -

Das Museum der Stille
von Yoko Ogawa

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ein namenloser junger Mann gelangt in ein winziges japanisches Bergdorf, um den Aufbau eines privaten Museums zu kuratieren. Von verstorbenen Dorfbewohnern soll er Erinnerungsstücke archivieren, „die über den Rand der Welt geglitten sind“. Seine hochbetagte Auftraggeberin hat exakte Vorstellungen zur Auswahl der Artefakte; sie sollen benutzt worden sein, wahrhaftig und sinnstiftend. Der erfahrene Museumsexperte gerät trotz seiner unverkennbaren Berufserfahrung in die Rolle eines einfachen unterwürfigen Dieners. Seine schmächtige, hochmanipulative Auftraggeberin scheint dagegen der sonderbaren Routine einer Dementen oder psychisch Kranken nachzugehen, deren Logik sich nur ihr erschließt. Eine sehr junge Adoptivtochter und ein handwerklich versierter Gärtner vervollständigen das Bild. In parallelen Handlungssträngen geschehen Morde an jungen Frauen, Polizisten ermitteln und ein Schweigekloster in der Nähe rückt ins Bild.

Da die ebenfalls namenlose Auftraggeberin ihre gesamte Lebenserfahrung bereits in einem Almanach niedergeschrieben hat, könnte man sich fragen, für welche Zielgruppe (in einem überalterten, evtl. aussterbenden) abgelegenen Dorf überhaupt ein Museum nötig ist. In der täglichen Routine des Beschaffens, Konservierens, Beschreibens und Archivierens der Gegenstände im Roman entstanden in meiner Fantasie Endlosschleifen von Symbolen und ihren Bezügen. Eine Mutter, die nicht sterben kann mit einer Tochter, die nicht erwachsen werden darf, Herrin und Diener, Schweigen, Verschweigen und die schweigende Welt einer schneebedeckten Landschaft, Gegenstände unter dem Mikroskop, Spuren, die Menschen hinterlassen, reale Werkzeuge und der Mensch als Werkzeug, Artefakte und Trophäen usw.

Während die absurde Handlung mich daran zweifeln ließ, ob das Anwesen der alten Frau überhaupt existiert, schließt der Kurator am Ende selbst den Bogen der Handlung. Elegant formuliert, lässt sich der (2000 im Original erschienene) schlanke Text flüssig lesen und wirkt teils wie ein nüchtern verfasster japanischer Krimi.