Rezension

Alles ist gut!

Vom Aufstehen -

Vom Aufstehen
von Helga Schubert

Bewertet mit 5 Sternen

Helga Schubert wurde 1940 in Berlin geboren. Ihr Vater fiel im Krieg, als sie ein Jahr alt war. Die Mutter flieht 1945 mit dem fünfjährigen Kind vor der Roten Armee von Hinterpommern nach Greifswald zu den Eltern ihres verstorbenen Mannes. Helga Schubert wächst in der DDR auf, geht zur Schule, studiert, wird klinische Psychologin. Schon immer hat sie geschrieben, Prosatexte, Hörspiele, Theater- und Fernsehstücke. Als Künstlerin hatte sie die Möglichkeit, in den Westen zu reisen, wurde aber dort im Allgemeinen nicht als Schriftstellerin wahrgenommen. 1980 erhielt sie eine Einladung zum den Tagen der deutschsprachigen Literatur nach Klagenfurt, bei denen der Ingeborg-Bachmann-Preis verliehen wird.

Sie durfte nicht ausreisen, ob sie „dem Reich-Ranicki vortanzen wolle“, wurde sie gefragt.

2020, mit dem Werk „Vom Aufstehen“ erhielt Helga Schubert 80-jährig den Ingeborg Bachmann Preis.

„Mein Sehnsuchtsort ist eine Erinnerung…“

So beginnt Helga Schubert ihr Leben in Geschichten zu erzählen. Es sind 29 Texte unterschiedlicher Länge, nicht chronologisch sortiert. Erinnerungen, Gedankensplitter, biographische Anker. Jedes Wort ist überlegt. Nie pathetisch, nicht anklagend, manchmal sehr fein humorvoll. In der Audioversion bekommt die Erzählung durch Ruth Reinecke eine besondere Stimme. Als ob sie mir gegenüber säße:

Vom Leben in der DDR als Bürgerin generell, als Schriftstellerin besonders, von der Wende, vom Leben danach. Von politischem Engagement. Von der Kraft geschöpft aus dem Glauben als evangelische Christin. Vom Kind sein ohne Vater. Vom Alter(n). Und immer wieder ihre Mutter.

Zwei Regimes haben Helga Schuberts Leben geprägt. Das politische Regime, mit aller Widersinnigkeit der Diktatur. Das mütterliche Regime, mit dem späten Erkennen von der Freiwilligkeit der Liebe.

„Ich verdanke dir, dass ich lebe, es ist alles gut.“

Nicht jede der 29 Geschichten hat mich gleichermaßen angesprochen. Aber die persönlichen, sehr privaten Momente dieser ganz speziellen Mutter Tochter Beziehung haben mich sehr berührt.