Rezension

Alles nur Fassade

Eine Vorzeigefamilie -

Eine Vorzeigefamilie
von Rochus Hahn

Bewertet mit 3 Sternen

Familie kann man sich nicht aussuchen, man wird ungefragt in sie hineingeboren und selbst nach dem Tod von Familienmitgliedern lassen einen diese nicht los. Besonders intensiv wird es, wenn es sich um die eigenen Eltern handelt, Menschen die einen prägen, die einen nach ihrer Weltsicht erziehen, die einen auf das Leben vorbereiten, die einen lieben und umsorgen. Leider gibt es Familien, in denen das mit dem lieben und umsorgen nicht ganz so einfach ist und eben eine solche Familie ist die von Autor Rochus Hahn.

Der Autor arbeitet in diesem Buch die schwierige Beziehung zu seinem Vater auf, den er im Vorwort als Persönlichkeit beschreibt, die eine Menge hergibt und an die er sich lebendig erinnert. In den autobiographischen Kapiteln die nun folgen, erhält der Leser Einblicke in ein Familienleben, das geprägt ist von Druck, Angst und Gewalt. Ein Familienleben, das nach außen geregelt und vorbildlich erscheint, das hinter der Fassade aber düster und bedrückend für alle Beteiligten ist.

Der Autor schreibt seit vielen Jahren Drehbücher für Film und Fernsehen, seit einiger Zeit ist er erfolgreich im Krimigenre unterwegs. Geschichten schreiben kann er also und auch erzählen, allerdings konnte mich das Erzählte nicht erreichen. Es werden Szenen voller physischer und psychischer Gewalt in der Kindheit beschrieben, aber der Autor bleibt dabei, für mein Empfinden, distanziert und emotionslos, seine Wut, seine Angst, aber auch das Glücksgefühl der wenigen guten Zeiten kommen nicht aus den Worten auf dem Papier heraus. Ich habe schon am Schicksal der Brüder Anteil genommen, aber ich konnte Freude, Schmerz und Leid nicht mitfühlen. Einzig bei der Beschreibung der Sterbebegleitung des Vaters ist dies kurz anders gewesen, die dort erzeugte Stimmung hat im Rest des Buches leider gefehlt.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Die Erinnerungen an den Vater nehmen den größten Teil des Buches ein. Der Autor erklärt, warum die Mutter hier nur eine Nebenrolle spielt und die Erinnerungen an sie erst später niedergeschrieben wurden. In den einzelnen Kapiteln werden nun lose Erinnerungen aneinandergereiht. Leider fehlt hier eine gewisse Chronologie, die Erzählungen springen manchmal recht willkürlich in der Zeit hin und her. Ein roter Faden ist zwar erkennbar, aber er ist recht zerfasert. 

Durch die Einblicke, die der Autor dem Leser gewährt, erfährt man nicht nur einiges über einzelne Personen, man erfährt auch einiges über eine ganze Generation. Die Eltern, zu Zeiten des zweiten Weltkriegs selbst noch Kinder, werden früh konfrontiert mit Verlust, mit Entbehrung, mit Angst, ohne wirkliche Möglichkeit diese Erfahrungen zu verarbeiten. Viele dieser Erfahrungen fließen dann unbewusst in die Erziehung der eigenen Kinder ein und prägen diese für ihr weiteres Leben. Eine Generation, die selbst mit viel Druck und Gewalt erzogen wurde, erzieht ihre Kinder nun mit eben diesen Mitteln, obwohl die Welt drumherum eine völlig andere geworden ist. Das rechtfertigt und entschuldigt nichts, lässt aber Vieles in einem anderen Licht erscheinen. 

Auch wenn das Buch meine Erwartungen nicht ganz erfüllen konnte, hat es doch einen Denkanstoß im Bezug auf die eigenen Eltern ausgelöst. Ich denke man sollte mehr hinterfragen und zu Lebzeiten versuchen ins Gespräch zu kommen.