Rezension

Alles, was man nicht lesen konnte ...

Die Bibliothek der verlorenen Bücher
von Alexander Pechmann

Bewertet mit 4 Sternen

Gibt es eine Bibliothek nie erschienener Bücher? Sie werden staunen, welche dramatischen Schicksale hinter verschollenen Werken stecken. Was der Weltliteratur entging Amüsant und fesselnd spürt Alexander Pechmann Werke auf, die durch Unfälle und Zufälle, im Wahn oder im Zorn, mit Absicht oder schlicht aus Versehen vernichtet wurden oder verlorengingen. Ihre Schicksale und Geheimnisse werden hier erstmals erzählt: von Dostojewski bis Flaubert, von Thomas Mann bis Hemingway. In der Bibliothek der verlorenen Bücher sind sie verwahrt: all die verschollenen, zerstörten, ungeschriebenen und imaginären Bücher. Kostbares von Lord Byron, Balzac, James F. Cooper, Joyce, Kafka, Puschkin, Laurence Sterne u. v. a. Humorvoll erzählt und mit allerlei biographischen Anekdoten versehen, schickt uns Alexander Pechmann auf eine wundersame Wanderung durch die verborgene Bücherwelt. Auf der amüsanten Reise durch die Literaturgeschichte begegnet man u. a. einer bizarren Bücherkarawane im alten Persien, Hemingways Reisetasche, einer barbarischen Schreibmaschine, einigen Kammerjungfern und Bauchrednern, Puschkins Hasen und Herman Melvilles verlorener Insel.

Es war einmal … in dunkler Vorzeit. Als man jeden Text mit der Hand schreiben musste. Wollte man eine Kopie, musste man per Hand abschreiben.
Damals war es, dass viele Manuskripte verloren gingen, einfach weil es sie nur einmal gab.

Doch auch die Autoren selbst neig(t)en dazu, ihre Werke zu vernichten. Statt sie zu publizieren, warfen sie sie ins Feuer; man kennt Kafka als Paradebeispiel. Oder Thomas Mann mit seinen Tagebüchern.
Aber in diesem Buch erfährt man auch, dass Taschen geklaut werden, die den Dieb gewiss enttäuschten, weil sie nur beschriebenes Papier enthielten. (Hemingway)
Oder dass Verleger und Buchhandlungen mit dem Eigentum ihrer Schriftsteller nicht immer sorgsam umgingen und es verlegten, verschlampten oder verloren. Versehentlich oder absichtlich – man weiß es nicht. (Mary Shelley)
Werke, die im Lauf der Geschichte den Weg alles Irdischen gingen, die bei Bibliotheksbränden vernichtet wurden, die von Autoren in Kneipen oder Cafés vergessen wurden - es gibt nichts, was Manuskripten nicht passieren kann.

Dass es diese Texte jemals gab, lässt sich oft nur aus Tagebüchern, aus anderen Werken des betreffenden Autors oder aus Anmerkungen anderer Autoren schließen.
Mit leichter Hand und mitunter ironischem Blick auf Autoren und deren Büchervernichter erzählt Pechmann von dummen Zufällen, unaufmerksamen Leuten und tragischen Unfällen. Darüber hinaus erfährt der Leser Wissenswertes aus den Biographien der Schriftsteller, von ihrer Arbeits- und Lebensweise.

Eine besondere Gattung der verlorenen Bücher sind diejenigen, die nie geschrieben wurden, sondern nur im Kopf eines Dichters existierten. Oder diejenigen, die keiner lesen kann, weil es bisher nicht gelang, die Schrift zu entziffern. Oder die überschriebenen, denn Pergament, Wachs- und Steintafeln wurden aus Kostengründen mehrmals verwendet; nicht immer kann ein Röntgengerät helfen.

Der Hauptgedanke, der beim Lesen dieses Buches durch den Kopf geht: Wie gut, dass Fotokopierer und PC erfunden wurden!