Rezension

Alternative Elternschaft

Muttergehäuse - Gertraud Klemm

Muttergehäuse
von Gertraud Klemm

Eine Frau will ein Kind, aber ihr Körper versagt es ihr. Also nimmt sie den Kampf gegen sich selbst auf und macht ihre Umgebung zum Feind. Als sie sich zur Adoption eines afrikanischen Kindes entscheidet, ist ihr Versagen für alle sichtbar. Freunde werden zu Fremden, der Alltag wird zum Hürdenlauf, der auch dann nicht endet, als das Kind kommt. Die Mühlen der Bürokratie tun ihr Übriges. Ein kämpferischer Roman, ein Plädoyer für ein Leben abseits der Norm. Gertraud Klemm ist Meisterin darin, der Gesellschaft einen schonungslosen Spiegel vorzuhalten. In wütender und poetisch kraftvoller Sprache entblößt sie ihre Figuren, bis sie vollkommen nackt vor uns stehen.

Die Protagonistin wünscht sich ein Kind. Sie und ihr Mann machen sich anfangs nicht viele Sorgen. Doch als die Zeit vergeht, und sie immer noch nicht schwanger wird, die Freundinnen alle ihre ersten Kinder bekommen, macht sie sich doch Sorgen. Irgendwann lässt sie sich untersuchen, lässt ihr Mann sich untersuchen. Und jeden Monat hofft sie, wenn sie wieder einen Schwangerschaftstest in der Hand hält, endlich schwanger zu sein. Doch dieser Wunsch wird ihr nicht erfüllt. Sie denken über eine Adoption nach und entscheiden sich für ein afrikanisches Kind. Nach vielen Anträgen und Kursen und langer Wartezeit bekommen sie endlich ihr Kind, welches sie selbst in Afrika abholen dürfen. Und nach einiger Zeit denken sie über eine weitere Adoption nach.
Gertraud Klemm hat mit offenem und schonungslosen Ausdruck ein  großartiges Buch geschrieben.
Es wirkt wie das Tagebuch der Protagonistin, die alle Gedanken, Wünsche und Gefühle beschreibt. Die Wut, der Zorn, die Hilflosigkeit, die Enttäuschung. Wie Freunde und Bekannte reagieren, als sie nicht schwanger wird, als sie ein Kind adoptieren wollen, als das afrikanische Kind da ist und als sie eine zweite Adoption planen. Alle dummen Bemerkungen oder Fragen der anderen, die es als selbstverständlich ansehen, selbst Mutter zu werden, ein fremdes Kind ist doch etwas anderes als ein eigenes und viele verletzende Kommentare derer, die mit einer Selbstverständlichkeit ein Kind nach dem anderen bekommen.
Und gerade diese ganzen offenen und schonungslos ausgesprochenen Gedanken der Protagonistin machen dieses Buch so besonders. Sie spricht aus, was viele denken, aber nie sagen würden.
Mir hat dieses Buch besonders gut gefallen.  So, wie die Autorin Gertrud Klemm die Dinge schildert, hat man sie selbst nie gesehen oder wahrgenommen. Sie öffnet einem die Augen für die Situation von Paaren, die sich Kinder wünschen, selber aber keine bekommen können. Und wie die Außenwelt auf diese Paare reagiert, was sie denken und wie sie sich ihnen gegenüber verhalten. Weil dieses Buch einen zum Nachdenken bringt.