Rezension

Aneinander gereihte Probleme

Ganz alltägliche Leute - Stewart O'Nan

Ganz alltägliche Leute
von Stewart O'Nan

Bewertet mit 2 Sternen

Pittsburgh 1998: Der junge Chris “Crest” Tolbert ist beim Graffitisprühen gefallen und sitzt seitdem im Rollstuhl. Sein Freund Bean ist tot. Die Mutter seines Kindes ist ihm fremd geworden. Sein Bruder hat nach einer Knast-Karriere Gott gefunden. Sein Vater hat sich verliebt. Seine Mutter ahnt etwas. Eindringlich erzählt Stewart O’Nan die Geschichte einer Woche im Leben der Bewohner des armen, schwarzen Viertels East Liberty. Einer schicksalhaften, hoffnungsvollen Woche, die das Leben der Menschen dort verändern wird.

Stewart O’Nan ist einer der besten zeitgenössischen Autoren Amerikas (für mich). Das wäre er allerdings nicht, wenn er noch mehr Bücher wie dieses geschrieben hätte.

Eine alltägliche Zeit mit Problemen, Beziehungen und Gedanken alltäglicher Leute zu füllen, kann funktionieren. Kann sogar reizvoll sein, wenn unterschiedliche Figuren die Handlung tragen und weiterführen. Warum funktioniert dies in diesem Buch nicht?

Vielleicht, weil es keine nennenswerte Handlung gibt ? Vielleicht, weil keine der Figuren so gezeichnet ist, dass sie dem Leser nahe kommt? Vielleicht, weil der gesamte Plot durch die wechselnden Protagonisten der einzelnen Kapitel zerstückelt wird?

Anscheinend hatte der Autor die gute Absicht, die Probleme eines von Farbigen bewohnten Stadtviertels zu zeigen. Würde er nicht von Zeit zu Zeit auf die Hautfarbe der Bewohner hinweisen, könnte es sich bei East Liberty um jedes x-beliebige Vorstadt-Ghetto handeln, in dem Armut, Drogen und Gewalt an der Tagesordnung sind.

Über die Personen und ihre Reaktionen kann man sich meistens nur wundern: Von Crest erwartet man Auflehnung, zumindest würde ein Jugendlicher, der nach einem Unfall für den Rest seines Lebens im Rollstuhl sitzt, mit seinem Schicksal hadern. Doch Crest findet schnell (zu schnell) eine Beschäftigung, die ihn ausfüllt, und das Einzige, was ihn belastet, scheint das Sexuelle zu betreffen.

Seine Mutter Jackie, als zupackende, gefühlvolle Frau beschrieben, interessiert sich nicht für das Kind, das Crest mit Vanessa hat, ihren Enkel also. Das passt nicht.

Fast jede Figur legt in irgendeiner Weise ein Verhalten an den Tag, das gegenüber anderen Reaktionen nicht stimmig ist.

Besonders misslungen ist der Anfang des Buches. Ein Ich, das im Verlauf der Handlung kein zweites Mal auftaucht, erzählt etwas von einer Busspur, die das Viertel vom Rest der Stadt abschneidet. Wen interessiert eine nicht vorstellbare Busspur in irgendeiner Stadt auf der Welt? Und wer ist dieses Ich, das mir etwas zu erzählen versucht, das mich nicht interessiert und das ich nicht verstehe?

Im Allgemeinen empfehle ich die Bücher von Stewart O’Nan. Wer es sich aber nicht mit ihm verderben will, sollte dieses Buch meiden. Er hat viel bessere geschrieben.