Rezension

Anstrengende Protagonistin, tolle Story

Rette mich vor dir - Tahereh Mafi

Rette mich vor dir
von Tahereh Mafi

Inhalt:

Juliette und Adam haben es geschafft: sie konnten dem Reestablishment entfliehen und haben Zuflucht bei den Rebellen gefunden. Dort lernt sie weitere Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten und fühlt sich endlich nicht mehr als Ausgestoßene - zumindest so lange bis ihre Geschichte die Runde macht. Schnell verfällt sie wieder in alte Muster und zieht sich in sich selbst zurück anstatt gegen die Gerüchte vorzugehen. Als sich dann auch noch herausstellt, dass Adam eine Fähigkeit hat, die ihm zwar dabei hilft, Juliette anzufassen, ihn auf Dauer aber auch nur schwächt, bricht sie endgültig zusammen. Dabei rückt der Krieg unaufhaltsam näher und nimmt keine Rücksicht auf persönliche Dramen...

Eigene Meinung:

"Rette mich vor Dir" von Tahereh Mafi ist eine gute Fortsetzung, die mir aber nicht so gut gefiel wie Band 1.

Keine Frage - der Schreibstil, so ungewohnt er auf den ersten Blick erscheint, begeistert in gewohnter Manier. Dieser ist so voller Vergleiche, Metaphern und markanten stilistischen Mitteln, dass man diesen stellenweise schon als poetisch bezeichnen kann. Gefühle vermag Frau Mafi zu vermitteln wie keine andere. Gerade durch die Ich-Perspektive versinkt man völlig in der Rolle, der Juliette, deren Gedanken unzensiert wiedergegeben werden. 

Die Charaktere haben sich auf eine so unvorhersehbare Weise entwickelt, dass man immer wieder überrascht wird.

Juliette hat sich leider wieder in das verängstigte und gestörte Mädchen verwandelt, das man zu Anfang von "Ich fürchte mich nicht" kennen gelernt hat. Dabei hatte sie sich so gut entwickelt und ich hatte all meine Hoffnungen in ihre neue Stärke gesetzt. Entgegen meiner Erwartungen zog sie sich jedoch nur wieder in ihr Scheckenhaus zurück und reagierte völlig unangemessen. Natürlich musste sie unvorstellbares durchleiden und ist schlicht und ergreifend psychisch labil, aber kann sie nicht mal alles rauslassen, ohne sich durchweg schuldig zu fühlen und sich ständig zu entschuldigen? Ich will eine Kick-Ass Heldin, die sich selbst wehren kann, und kein verschüchtertes Kind, das Angst vor seinen eigenen Fähigkeiten hat. Wenn der tödlichste Mensch, vor dem alle Angst haben, von einem imkompetenten Soldaten überwältigt werden kann, hat sie es nicht besser verdient. Das heißt nicht, dass Juliette mir nicht ans Herz gewachsen ist. Ich wünsche ihr von Herzen, dass ihr endlich mal ein wenig Glück beschert wird, aber sie soll sich gefälligst wehren, wenn man sie ungerecht behandelt, und sich nicht schuldig fühlen, wenn sie mal was richtig macht!

Adam, der mein Herz im ersten Band im Sturm erobert hat, verkümmert zu einem Schatten seiner selbst. Er verschwindet im Hintergrund und jeder Auftritt bringt ein Drama mit sich. Er tritt als jämmerlicher Waschlappen auf, den man nicht mal mehr bemitleiden will. Man möchte ihn schütteln und ihm sagen, dass er sich durchsetzen soll, wenn er mit der Situation unzufrieden ist und bitte nicht wie ein kleines Mädchen weinen soll. Ich habe wirklich nichts dagegen, wenn Männer Gefühle zeigen, ganz im Gegenteil, aber das war schon lachhaft.

Warner hingegen ist wohl die interessanteste Person, die Mafi geschaffen hat. Hinter dem skrupellosen Machthaber steckt - nein, kein sentimentales Bürschchen - sondern ein 19-jähriger (!) Junge, der eine furchtbare Kindheit hatte und sich einfach an seine Situation angepasst hat. Er hat eine Fassade errichtet, die ihm zu überleben hilft, ohne zu einem Abklatsch seines Vaters zu werden. Er beweist Humor und mehr Gefühl als er sich selbst zutraut. Sollte er erkennen, dass er seine Menschlichkeit, entgegen seiner eigenen Meinung, noch nicht verloren hat, kann er mit seiner dominanten Persönlichkeit viel bewirken.

Hinter dem Namen Kenji verbergen sich viele Persönlichkeiten. Er ist der Klassenclown, der Mann, der alles zusammenhält, ein aufmerksamer Freund und auch ein strenger Lehrer. Er gehört zu den wenigen Menschen, die keine Angst vor Juliette haben, die sie zum Lachen bringen können und die auch keine Rücksicht auf ihre Gefühle nehmen. Wenn es sein muss, sagt er ihr - und auch anderen - knallhart ins Gesicht, was er gerade denkt. Er ist mutig und aufopferungsvoll und ein wichtiger Bestandteil der Rebellenriege. Nicht nur seine Fähigkeiten, auch seine Persönlichkeit ist wichtig für den Zusammenhalt und die Motivation der Rebellen. Er ist eine der wenigen Personen, die mich dieses Mal ohne Aufreger überzeugen konnten und hat vor allem die oft depressive Stimmung durchbrochen.

Die Geschichte ist emotional und spannend, ruhig und temporeich. Sie lebt von Juliettes Gefühlen, ihren Gedanken und ihrer Entwicklung. Die dystopischen Elemente rücken angesichts ihrer enormen Präsenz völlig in den Hintergrund. Würde nicht ab und zu erwähnt werden, wie kaputt die Welt ist und dass der Kampf für die Rebellen ansteht, könnte man beinahe vergessen, worum es eigentlich geht. Die sehr zentrale Liebesgeschichte, die ein wichtiger und auch schöner Aspekt in "Ich fürchte mich nicht" war, leidet stark unter den gegebenen Umständen. Abgesehen davon, dass Adam und Juliette kaum noch Zeit für einander haben, werden ihnen auch immer wieder Steine in den Weg gelegt. Das geht so lange gut bis ein richtig harter Brocken kommt, an dem ihre Beziehung tatsächlich zerbricht. Wie ich es befürchtet hatte, nutzt Mafi diese Situation, um eine irrwitzige Dreieckskonstellation zu kreiieren. Diese Befürchtung hatte ich bereits, nachdem ich die Zwischenepisode "Zerstöre mich" gelesen hatte, die sich komplett um Warner dreht. Warum sollte sie dieser Person so viel Raum geben, wenn er "nur" der Antagonist ist? Immerhin rettet seine herausragende Persönlichkeit meine negative Meinung zu diesem lästigen Mittel. Dennoch finde ich es schade, dass die Shatter Me - Reihe dadurch etwas von seiner Einzigartigkeit einbüßt.

Das Cover passt perfekt zur Reihe und ist ebenso ein Eyecatcher wie die vorherigen. Allerdings bin ich noch nicht dahinter gekommen, ob die Farben eine Bedeutung haben.

Fazit:

Tahereh Mafis "Rette mich vor Dir" ist eine solide Fortsetzung, die für mich leider etwas schwächer ausfällt als ihr Vorgänger. Dabei begeistert mich Mafis Schreibstil in gewohnter Weise und ihre schon poetisch anmutenden Passagen heben auch dieses Werk von der Masse ab. Leider machen die Charaktere und die Lovestory eine so unvorhersehbar negative Entwicklung durch, dass ich mich manchmal richtig aufgeregt habe, was meinen Lesefluss immer wieder gestört hat. Alles in allem wurde ich aber wieder einmal sehr gut unterhalten und ich verspreche mir sehr viel vom finalen Band - 4/5 Bücher!