Rezension

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Auf der Suche nach Sinn

Eure Väter, wo sind sie? Und die Propheten, leben sie ewig? - Dave Eggers

Eure Väter, wo sind sie? Und die Propheten, leben sie ewig?
von Dave Eggers

Thomas ist 34 Jahre alt, und er ist ein Gescheiterter. Was sind die Gründe dafür? Thomas will endlich dem Sinn des Lebens auf den Grund gehen. Und so befragt er Kev, den Astronauten, den er im College kennengelernt und seine Zielstrebigkeit bewundert hat. Kev wollte schon als Jugendlicher Astronaut werden und hat jahrelang darauf hingearbeitet. Nun ist das Raumfahrtprogramm beendet - was bleibt von Kevs Träumen? Thomas will es wissen, und da Kev auf seine Briefe nicht antwortet, entführt er ihn kurzerhand in eine stillgelegte Militärbasis und zwingt ihn zu Antworten. Doch diese werfen neue Fragen auf, und da braucht es weitere Gesprächspartner...

Thomas ist ver-rückt, seine Welt ist aus den Fugen: Wo soll er ein Ziel finden, für das sich Anstrengungen lohnen, welche Werte gelten, was ist der Sinn des Lebens? In unserer säkularisierten Welt richten sich diese Fragen nicht mehr an Kirchenvertreter. Thomas befragt sein Idol, dann einen Kongressabgeordneten, seinen ehemaligen Lehrer, seine Mutter, einen Polizisten, eine Krankenhausangestellte und zuletzt eine junge Frau, die er attraktiv findet. Damit gehören zu seinen erzwungenen Gesprächsteilnehmer mehrere Vertreter des Staates, von denen er erwartet, dass sie seiner Suche eine Richtung weisen. Dabei kommt aber auch seine eigene Vergangenheit ins Spiel und insbesondere die seines Kindheitsfreundes Don Banh. Wie kam sein vietnamesischer Freund zu Tode? Und wo findet sich neben dem Versagen des Systems auch Verantwortlichkeit und Schuld des Einzelnen?

Thomas greift zu extremen Mitteln, und er sicherlich psychisch krank. Daher ist der Leser schnell bei der Hand, die Fragen eines solchen verwirrten Geistes als sinnlos abzutun. Doch ganz so einfach ist das nicht. Es gibt keine einfache Lösung, und die Welt besteht nicht nur aus Schwarz und Weiß. Eggers spitzt seine Fragen durch die Konstruktion einer extremen Situation zu, genau wie er das in seinem Bestseller "The Circle" getan hat. Dieses Buch erinnert durch seine Form an ein Theaterstück: Es besteht nur aus Dialogen zwischen Thomas und sieben verschiedenen Gesprächspartnern; alle finden sie in unterschiedlichen Räumen der Militärbasis statt, so dass auch eine Einheit des Ortes und der Zeit besteht. Handlung, wie man sie bei einem Roman erwartet, finden wir nicht, wir können sie uns nur selbst aus den Gesprächsinhalten erschließen. Man könnte dieses Buch daher gut auf die Bühne bringen, und wer weiß, wie es dann wirken würde?

Für mich ist dieses Buch nicht ganz geglückt: Wenn der Leser den verstörten Thomas ablehnt, ist er wohl auch in Gefahr, dessen Weltsicht und Fragen abzulehnen. Dabei sind doch viele dieser Fragen berechtigt, und das nicht nur in den USA: Es sind elementare Fragen nach dem Sinn des menschlichen Lebens, die hier gestellt werden. Hoffen wir, dass der Leser nicht nur die Antworten von Thomas und seinen Gesprächspartners verfolgt, sondern auch seine eigenen sucht.