Rezension

Auftakt der Skandalromane des 19. Jahrhunderts!

Madame Bovary - Gustave Flaubert

Madame Bovary
von Gustave Flaubert

Bewertet mit 3 Sternen

Madame Bovary bildet den klassischen Ursprung aller folgenden Ehebruchsromane wie Anna Karenina und Effi Briest. Flaubert gelingt 1857 ein skandalöser Glücksgriff, der dieses Werk bis heute zurecht der Weltliteratur zurechnet.

Wir begegnen zu Beginn des Romanes Charley Bovary, der das Ergebnis einer nicht allzu glücklichen Ehe ist, in der Schule das ein oder andere mal gehänselt wurde, sich aber trotz allem zu einem sehr biederen Landarzt mausert, der dem Fortschritt in seiner Disziplin nie ganz abgeneigt ist. Seine erste Ehe dauert keine 30 Seiten an. In dieser Zeit begegnet er bereits Emma, welche zufällig die Tochter es Patienten Charles‘ ist. Doch wie kann hier eine feine Liebesgeschichte entsponnen werden? Natürlich muss die 1. Frau sterben, was sie - dem Leser sehr passend - auch umgehend tut.

Danach steht dem Eheglück von Charles und Emma eigentlich nichts mehr im Wege…

Wären da nicht Emmas unmäßige Ansprüche an die Liebe und Leidenschaften, die sie nur aus Romanen kennt, die sie rezipiert hat. Mit Charles hat sie den denkbar leidenschaftslosesten Menschen in ganz Frankreich geheiratet und wenige Woche nach der Hochzeit stellt sich drängende Langeweile ein, die sich zu einer handfesten Depression herausentwickelt.

Madame Bovary ist als Ehebruchsroman bekannt und letztlich weiß man bereits vor dem Lesen, dass Emma sich in die arme eines Liebhabers begibt…

 

Dieser Roman hat mich teils in einem argen Zwiespalt zurückgelassen.

Die Geschichte der unglücklichen Ehefrau, die sich gefangen fühlt in diesem vermeintlichen Glück kannte ich bereits aus „Anna Karenina“ und dort gefiel mir der Bruch der starken Frau etwas besser.

Emma Bovary ist eine Dame, die sich fast ausschließlich den lieben langen Tag in Selbstmitleid und Langweile badet, ohne nur die geringste Kraft aufzuwenden, daran etwas zu ändern. Es mangelt ihr dabei an Kommunikationsstärke und Empathie, … auf ein ruhiges Familienleben kann sie sich ebenfalls nicht einstellen.

Mir muss eine Figur nicht sympathisch sein, damit ich einen Roman gut finde, aber man sollte ihre Handlungsmotivationen nachvollziehen können und für mich ist das bei Emma nicht gegeben.

Ich kann sogar verstehen, wenn LeserInnen dieses Romans die Langeweile, die Madame Bovary empfindet, ebenso beim Lesen empfinden.

In Hinblick auf den Roman wirkt die Geschichte sehr unausgewogen, Emma ist ein unmotivierter Mensch, der von Anfang an nur hedonistische Ansprüche an seine Umwelt stellt und sich jeden Tag vorjammert, dass jeder ein besseres Leben habe als sie.

Das große Plus dieses Romans ist seine feinfühlige Sprache. Am Stil Flauberts, bzw. hier in der Übersetzung durch Hans Reisiger, ist absolut nichts auszusetzen. Sprachliche Bilder lassen den Leser die Landidylle und innere Bedrängnis jeder Figur nachempfinden. Allein dieses Stils wegen empfehle ich die Lektüre dieses Klassikers.

Besonders erwähnenswert finde ich aus all den Dorfbewohnern um das Ehepaar Bovary den Apotheker. Dieser bringt eine politische, philosophische und religionskritische Perspektive in den Roman, die einem Einblicke in den Zeitgeist eines Frankreichs Mitte des 19. Jahrhunderts ermöglicht.

Hervorzuheben wäre noch der Erzähler, der nicht nur jeder Figur folgen kann, sodass wir mehr Perspektiven als die von Emma kennenlernen, sondern absolut wertfrei die Handlung darlegt. Kein einziges moralisches Urteil wird über das Handeln von Emma gefällt. Dem Leser fällt also eine wichtige Aufgabe zu, das ganze Geschehen zu reflektieren und zu beurteilen. Im Jahre 1857 hat das ganze einen Skandal ausgelöst, was heutzutage wohl kaum mehr möglich wäre. Dahingehend hat Flauberts Werk vielen weiteren ähnlich thematisch aufgebauten Romanen den Weg geebnet, was man nicht vergessen sollte.

Letztlich habe ich für die Geschichte 2 Sterne vergeben und für den Stil 4,5 Sterne, womit ich bei einer Gesamtwertung von 3-3,5 Sternen verbleibe. Ein Klassiker, den man gelesen haben kann, aber nicht muss.  In dieser Ausgabe und Übersetzung auf jeden Fall stilistisch absolut empfehlenswert.

Kommentare

DinDin kommentierte am 05. Juni 2015 um 06:56

Deine Rezension gefällt mir richtig gut! Däumchen hoch dafür. Madame Bovary und Anna Karenina liegen schon länger auf meinem SuB, vllt sollte ich Madame Bovary zuerst lesen, bevor ich mich an Anna Karenina wage :D