Rezension

Aufwühlendes Romandebüt aus Frankreich

An Liebe stirbst du nicht -

An Liebe stirbst du nicht
von Géraldine Dalban-Moreynas

Bewertet mit 5 Sternen

„Es gibt Geschichten, an deren Anfang man sich das Ende einfach nicht vorstellen kann.“

(Zitat aus dem Buch, Seite 181)

Ob sich Elle und O., die beiden Protagonisten in Géraldine Dalban-Moreynas‘ Debütroman „An Liebe stirbst du nicht“, zu Beginn ihrer Amour fou überhaupt ein Ende vorstellen können, darf bezweifelt werden. Unversehens stürzen sich die beiden neuen Nachbarn, die bislang bequeme und unaufgeregte Leben führten, in eine Affäre. Die Anziehung zwischen den beiden ist einfach zu groß. Ihre Treffen häufen sich bald ebenso wie die Lügen, die sie ihren jeweiligen Partnern auftischen, um sich ein paar gemeinsame Stunden zu stehlen. Über Elle und O. erfährt man nicht viel, nur dass sie beide Anfang 30 sind, er Anwalt und sie Journalistin ist, beide vergeben sind, und in Paris leben. Und doch lernt man als Leser schon beizeiten das verletzliche Innenleben des heimlichen Paares kennen, ihre Träume und ihre Wünsche.

Sie wagen einen Tanz auf dem Drahtseil, können jeden Moment abstürzen und ins Bodenlose fallen. Die Autorin beschreibt mit präzisem Blick die Achterbahn der Gefühle, in der die beiden sich befinden. Schon nach kurzer Zeit wird klar: Es ist Liebe, sie ist tief und wahrhaftig. Doch haben Elle und O. eine gemeinsame Perspektive? O. hat eine Tochter, die noch keine zwei Jahre alt ist. Seine Frau könnte er verlassen, seine Tochter jedoch nicht. So hadern die beiden Teilzeitliebenden (Seite 65), die nichts mehr wollen als zusammen zu sein, mit den Umständen, die genau das verhindern.

„Zum Glücklichsein braucht man Mut.“

(Zitat aus dem Buch, Seite 113)

Doch dieser Mut fehlt vor allem O. Als neutrale Beobachterin führt die Autorin Buch über den Verlauf einer heimlichen Liebe, die so unmöglich wie alles verschlingend ist.

Die Kapitel sind kurz, sie geben auch einige der zahllosen SMS und E-Mails wieder, die sich Elle und O. schicken. Trotz des nüchternen Erzählstils von Dalban-Moreynas, der wohl am ehesten mit „auf den Punkt gebracht“ umschrieben werden kann, schwingt eine feine Melodie in ihren Worten mit. Am Ende war mein Exemplar des Buchs mit unzähligen bunten Klebe-Fähnchen übersät, weil es so viele Zitate, so viele Momente gab, die mich ganz besonders berührt haben, sodass ich schon gefragt wurde: „Liest du oder bastelst du?“

Dieser Roman hat eine unglaubliche Wucht, und auf nur 192 Seiten erzählt die Autorin eine Geschichte, wie sie tagtäglich geschieht, und die doch einzigartig ist. Die Intensität der Gefühle tut beim Lesen fast schon körperlich weh. Als Leser wird man mitgerissen in diesen Abgrund, an dessen Rand Elle und O. tanzen, und sehenden Auges in ihr Unglück rennen. Man leidet mit den beiden, fragt sich, wie wohl das Ende aussehen wird. Der Weg dorthin kann es in puncto Spannung mühelos mit jedem guten Thriller aufnehmen. Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt – was wird am Ende überwiegen?

Chapeau! Géraldine Dalban-Moreynas hat mit ihrem Debütroman wirklich ein grandioses Stück Literatur geschaffen!