Rezension

Aus der Mitte heraus geschrieben - Leseempfehlung!

Die neue Völkerwanderung nach Europa - Hans-Peter Schwarz

Die neue Völkerwanderung nach Europa
von Hans-Peter Schwarz

In ihrer Wucht kam sie unerwartet und übertraf selbst kühne Vorstellungen: 2015 ist das Jahr der Flüchtlingskrise(n), oder, um mit den Worten des Autors Hans-Peter Schwarz zu sprechen: einer neuen Völkerwanderung nach Europa!

Über die Auslöser, die Hintergründe und natürlich über den Umgang mit dieser Krise ist bereits vieles gesprochen und geschrieben worden. Weit liegen die Ansichten auseinander, wenn es um Vorschläge über einen moderaten und dennoch zielführenden Umgang mit den Massen an Flüchtlingen und den hiermit verbundenen menschlichen Schicksalen geht.
Hans-Peter Schwarz schreibt nicht lange darum herum: er gehört zu den Kritikern des Umgangs in der Politik, sowohl der Europäischen Union, insbesondere aber der Politik in Deutschland!

Auf gut 240 Seiten stets interessantem, gut zu lesenden Inhalts, wird der Leser über die Chronologie und den Umgang mit den Flüchtlingsströmen seitens der EU und der europäischen Staaten, mit einem besonderen Augenmerk auf das politische Handeln in Deutschland mitgenommen.
Über die Entstehung der "Völkerwanderung neuen Typs" informiert das erste Kapitel, bevor die Frage, wie es zu einem Kontrollverlust im tatsächlichen Ausmass kommen konnte, im zweiten Abschnitt des Buches geschrieben wird. Die (improvisierten) Strategien der politisch Verantwortlichen und den horrenden Unterschieden in den europäischen Staaten bilden den Kern des Kapitels drei. Danach werden in den beiden folgenden Abschnitten über Vorahnungen (Worauf wir uns einstellen sollten) und abschließend über Möglichkeiten des Umsteuerns der aktuellen Politik hin zu einer offenen, jedoch stets verantwortungsvollen Politik den Europäern und den Bewohnern der einzelnen Nationalstaaten gegenüber geschrieben.

Hans-Peter Schwarz packt ein heißes Eisen an. All zu leicht geraten Kritiker des Umgangs und der Lösungsmuster mit der nach wie vor vorhandenen Problematik in die politisch rechte Ecke.
Dieser Gefahr setzt sich der im Frühjahr verstorbene Autor jedoch keineswegs aus. Sachlich-nüchtern und auf ausgeprägten Faktenwissend basierend, begründet Schwarz seine Kritik an der Flüchtlingspolitik in Europa und hebt dabei die fragwürdige Führungsrolle Deutschlands hervor. Seine Argumente beziehen sich auf die aktuell herrschende Rechtslage, die den Umgang mit den zahlreichen Menschen auf der Flucht deutlich aufzeigt, aber: es sind aus seiner Sicht eine Vielzahl hausgemachter Probleme und eine nachhaltige Reaktion seitens der Verantwortlichen Stellen im Sinne einer neuen Richtung in der europäischen Asylpolitik erscheint unausweichlich. Der Stellenwert der Nationalstaaten Europas und der EU spielen dabei die Hauptrolle. Hartes "Zahlenwerk" (Statistik) dient zur Untermauerung der Gedanken des Autors.
Es gelingt ihm kritisch Stellung zu nehmen, ohne menschliche Tragödien einerseits in Vergessenheit geraten zu lassen, andererseits zu Reformen zu mahnen: "... Zum Selbstverständnis moderner europäischer Demokratien gehört ein differenziertes Asyl- und Flüchtlingsrecht, das dem Postulat der Menschenwürde entspringt. Barmherzigkeit gegenüber Staatenlosen und Verfolgten ist gewiß nicht das einzige Prinzip im heterogenen Wertesystem der Verfassungsstaaten. Aber ohne Mitleid wären die Demokratien, kalte abstoßende Ungeheuer. Doch genauso richtig ist, daß die Hilfe mit Verstand organisiert werden müsste, ..." (Buch S. 95f.).

Hans-Peter Schwarz ist es gelungen ein Buch zu schreiben, dass kritisch mit der Asylpolitik ins Gericht zieht und zu (längst überfälligen) Reformen mahnt. Er tut dies von einer aufrichtigen Position der Mitte und grenzt sich durch seine ausgewogene Argumentation deutlich vom Getöse nationalistischer Populisten ab!
Dies Buch stellt einen wichtigen Beitrag zum politischen Diskurs in Europa (und darüber hinaus) dar!

Absolute Leseempfehlung!