Rezension

Die Frage ist nur, ob es für Vieles nicht schon zu spät ist und ob die Bevölkerung wirklich darauf vorbereitet ist, welche Aufgaben da noch auf die reichen europäischen Länder zukommen werden

Die neue Völkerwanderung nach Europa - Hans-Peter Schwarz

Die neue Völkerwanderung nach Europa
von Hans-Peter Schwarz

Bewertet mit 5 Sternen

Hans-Peter Schwarz, Die neue Völkerwanderung nach Europa, DVA 2017, ISBN 978-3-421-04774-8

 

Es ist kein wirklich ermutigendes Szenario, das der über alle Parteigrenzen hinweg angesehene 1934 geborene Zeithistoriker Hans-Peter Schwarz da entwirft. Die Zuspitzung der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 hat Prognosen vieler Wissenschaftler bestätigt, die diese schon vor langer Zeit abgaben. Armut und fehlende Lebensperspektiven einer exponentiell wachsenden Bevölkerung in den Staaten Afrikas und des Nahen Ostens, Kriege und Hungersnöte und die Attraktivität europäischer Sozialstaatssysteme führen zu einem immer größeren Migrationsdruck auf Europa.

Da helfen auch Schließungen kompletter Fluchtrouten auf Dauer nicht. Gerade im Augenblick erleben wir wieder, dass jeden Tag viele Tausend Menschen über das Mittelmeer geschleust werden. Das führt in vielen europäischen Staaten zu einer verstärkten innenpolitischen Auseinandersetzung, bei der die rechten populistischen Parteien und Kandidaten Oberwasser haben. Bekommen sie, wie z.B. Marine Le Pen in Frankreich, bei den bevorstehenden Wahlen die Mehrheit, dann ist Europa mit seiner Weisheit auch bei der Bewältigung der Flüchtlingsproblematik am Ende. Niemand weiß wirklich, was dann passiert.

„Über den Verlust politischer Kontrolle und moralischer Gewissheiten“ schreibt Hans-Peter Schwarz und entwirft fünf Leitlinien für einen neuen Kurs der Flüchtlingspolitik. Sie alle aber brauchen als Bedingung eine funktionierende und sich erneuernde und vor allen Dingen einige EU, was aber bei nüchterner Betrachtung extrem unwahrscheinlich ist.  Warum sollten Staaten wie Polen, Ungarn, Tschechien etc. auf einmal in der Flüchtlingsfrage kooperieren?

 

Es ist eine verdunkelte Zeit, in der auch aufgeklärte Philosophen wie Julian Nida-Rümelin vollkommen neu „über Grenzen denken“. In einem  gerade erschienenen Buch denkt der renommierte Philosoph nach über eine „Ethik der Migration“. Er glaubt nicht an das Konzept offener Grenzen als richtige Antwort auf das Elend der Welt, wie sie bei uns immer noch von den Grünen und Teilen der Linken propagiert werden. Er ist überzeugt, dass offene Grenzen das Elend nicht wesentlich mildern, sondern die Herkunftsregionen weiter schwächen und die sozialen Konflikte in den aufnehmenden Ländern verschärfen würden. Sie sind keine Lösung für die beschämenden humanitären Skandale unserer Zeit.

 

„Eine Jahrhundertaufgabe für die EU: Schutz der Außengrenzen und Ursachenbekämpfung“ nennt Hans-Peter Schwarz als die wichtigste  Leitlinie einer zukünftigen Flüchtlingspolitik. Viele Reisen deutscher Politiker nach Afrika und Kooperationen mit Herkunftsländern von Migranten  zeigen, dass die Politik sehr wohl begriffen hat, dass in die diese Richtung umgeschwenkt werden muss. Die Frage ist nur, ob es für Vieles nicht schon zu spät ist und ob die Bevölkerung wirklich darauf vorbereitet ist, welche Aufgaben da noch auf die reichen europäischen Länder zukommen werden.