Autobiographie einer großen Autorin
Eine Autobiographie schreiben? Das hat für mich immer ein bisschen den Geruch von Selbstbeweihräucherung. Aber nicht bei Hilary Mantel. Völlig unsentimental beschreibt sie ihre Kindheit in einfachen Verhältnissen, verwickelte Familienbeziehungen und eine äußerst schmerzhafte Krankheit. Es entsteht kein lückenloses Bild; vieles bleibt offen - und das ist auch gut so, denn schließlich handelt es sich ja nicht um eine erfundene Romanfigur, sondern um einen lebendigen Menschen, der ruhig seine Geheimnisse behalten soll. Aber es wird genügend offenbart, dass ich nur den Hut ziehen kann - nicht nur vor dieser großen Autorin, die als erste Frau gleich zweimal den Booker-Preis erhielt, sondern auch vor einer Frau, die ihr Schicksal so charaktervoll auf sich nimmt. Die englische Originalausgabe ist schon 2003 erschienen, lange vor ihrer Anerkennung als Schriftstellerin; es hat zwölf Jahre gedauert, bis sie auch auf Deutsch herausgegeben wurde. Die Lektüre lohnt sich.