Rezension

Band 2 der Elli Werner Reihe

Seelenschatten - Nadja Roth

Seelenschatten
von Nadja Roth

Nachdem ich den ersten Band „Märchenblut“ rezensierte, kontaktierte mich Nadja Roth & fragte nach meinem Interesse bezüglich ‚Testleserin‘. Und das obwohl oder vielmehr gerade weil ich Kritik geäußert hatte und natürlich freut sich so ein kleiner Buchmensch wie ich es bin darüber sehr!

Nadja kennt meine Kritikpunkte. Zum einen aus meiner Rezension ihres ersten Buches und zum anderen über den Austausch des Testlesens. Eigentlich rezensiere ich ein wenig zwei Bücher. Selten habe ich es erlebt das eine Autorin das Gefühl entstehen lässt in zwei Genres zu lesen.
 Nadja Roth schafft es zum einen, die Ermittlerin Elli Werner als eine Protagonistin zu skizzieren, mit welcher sich wohl viele, gerade weibliche Leser, identifizieren können. Auch in Band 2 steht Elli (wieder) vor einem Neuanfang. Sie wird von der Vergangenheit eingeholt, beruflich & privat.
 Zum anderen entführt sie die Leser in die Welt eines Psychopathen.

„Er war ein Künstler. Er erschuf Geschöpfe, die fernab der Öffentlichkeit seine Augen erfreuten.“ (S. 24)

Eine Kunst die den Tod beinhaltet. Ein Todesmuseum der Sehnsucht und ein Mörder, welcher inmitten des gesellschaftlichen Lebens hoch angesehen ist.
 Eine Kunst fürwahr, denn auch Nadja Roth ist eine Künstlerin auf ihrem Gebiet. Die Ermittlungen hier mal kurz ausgeklammert, hat sie mit Elli eine Protagonisten erschaffen die nicht nur Psychopathen jagt, sondern auch eine verletzliche Frau mit Selbstzweifeln ist. Nicht nur die Ermittlungen und der Täter stehen im Mittelpunkt des Buches, auch die Beziehung zu den Kollegen und dem Ex-Freund spielen eine (große) Rolle.

Hier liegt für mich auch der Kritikpunkt des Buches & die Geschmäcker sind diesbezüglich sehr verschieden. Ich beziehe mich jetzt ausschließlich auf das Genre „Krimi & Thriller“ bei den folgenden Worten: Natürlich lese ich gerne über Protagonisten die sich entwickeln, dem Leser durch die privaten Geschehnisse näher gebracht werden. In einem Thriller jedoch, darf sich das Augenmerk in erster Linie auf den Fall beziehen. Nicht das ich nun falsch verstanden werde, diesen Fokus setzt Nadja natürlich auch, aber ebenso auch intensiv auf ihre Ermittlerin. Genau dies war mir bereits in Band 1 ein wenig zu intensiv und nimmt auch im zweiten Band wieder viel Raum ein.
 Nachdem Ellis erster Fall nach der Versetzung große Wellen schlug und innere Narben hinterließ, steht sie bereits zum zweiten Mal vor einem Neuanfang. Der Umzug vom kleinen Örtchen Schifferstadt nach Speyer und die Wiedereingliederung in den Beruf. Aber auch die kleinen Probleme im eigenen Körper sind nicht wirklich überwunden und der Ex-Freund ist nicht gänzlich aus ihrem Leben wegzudenken. Zum einen macht dies die Ermittlerin sehr sympathisch, da es sich um Alltagsprobleme handelt die für alle nachvollziehbar sind & eben keine Superheldin oder völlig ‚verschrobene‘ Protagonistin ist. Zum anderen jedoch ist es für mich persönlich an einigen Stellen, wie schon bei „Märchenblut“ etwas zu sehr Richtung Frauenroman.

Auf den verschiedenen Buch- & Rezensionsportalen, sowie bei anderen Bloggern sind die Leseeindrücke durchweg bei 4-5 Sternen, was nochmals zeigt: Viele LeserInnen lieben genau das auch innerhalb eines Thrillers oder sind diesbezüglich nicht ganz so kritisch wie ich.
 Doch ich muss ehrlich sagen, welche Thriller-Autoren schaffen es, diese zwei doch sehr unterschiedlichen Elemente gekonnt zu verbinden?!

Denn Psychopathen skizzieren, sich hineindenken & den Lesern dadurch erschreckende Einblicke zu gewähren kann Nadja Roth!
 In diesem Band erhalten wir gleich zwei Täterperspektiven. Neben dem männlichen Part, welcher den Tod sammelt, streift ein weiblicher Racheengel durch die Straßen Speyers:

„Die wulstige Kehle dieses Mannes zu durchtrennen, ließ kleine Schauer der Erregung durch ihren Körper rieseln“ (S. 367)

Wie bei jedem Krimi oder Thriller versuchen sich die Leser natürlich gerne darin, Täter & Motiv selbst herauszufinden. In diesem Buch jedoch tappt man lange Zeit im dunkeln oder hat höchstens eine vage Vermutung, ohne die einzelnen Ereignisse im Ganzen zusammen fügen zu können. Hier und da gewährt uns die Autorin weitere Einblicke, wobei diese den Leser eher verunsichern, als mit Antworten die Neugierde zu stillen.

Zu Beginn werden nicht die Beweggründe der Taten erläutert, aber die Empfindungen während und nach der Tat geschildert. Fast schon poetisch werden die Gefühle von Täter zu Opfer beschrieben und erzeugen somit einen Schauer beim Lesen und  zeitgleich ermöglicht es dem Leser sich in diesen Moment hineinfühlen zu können.

„Als sie vor ihm lag, betrachtete er sein Werk eingehend. […] Da lag sie, stumm und schön. Sie konnte nichts mehr sagen, und das musste sie auch nicht. Spräche sie, verlöre sie jede Anmut […]“ (S. 25)

In diesem Kontext natürlich beklemmend, doch das Gefühl der Sehnsucht, der eigene Stolz, all dies kennen wir selbst und bringt uns somit den Täter in dieser bizarren Situation näher. Und eben dies ist für mich, wie auch in Band 1, die große Stärke von Nadja Roth. Nicht ganz so gewalttätig wie „Märchenwald“ aber nicht weniger perfide! Ich bin fasziniert davon, in die menschlichen Abgründe einzutauchen, Einblicke in Gedanken und Gefühle der Täter zu erhalten und dies ermöglicht die Autorin mir in beiden Büchern. Auch hier kann ich sagen, Nadja Roth überzeugt mich mit diesen Kapiteln.

Das Ende verbindet die Einzelheiten des Buches zu einem Gesamtbild, welches eine erschreckende Familientragödie zu Tage fördert. Wieder einmal schafft es Nadja Roth, einen Fall zu konstruieren, dem Elli Werner nahe geht und mit überraschenden Beteiligen aufwartet.

Auch ohne den Vorgänger zu kennen, kann dieses Buch gelesen werden. Jedoch allein schon aufgrund der Täterperspektiven lege ich Euch nahe zunächst oder zu mindestens im Anschluss den ersten Band zu lesen!