Rezension

Berlin in der Nachwendezeit, 4 Freundinnen und ein großer Verlust - sensibel und authentisch erzählt

Auf Erden -

Auf Erden
von Anne Kanis

Bewertet mit 4.5 Sternen

Auf Erden erzählt die Geschichte einer Freundschaft von vier jungen Mädchen, ihres Erwachsenwerdens und eines großen Verlusts. Sunny ist gerade 40 als ihr Vater nach schwerer Krankheit stirbt und ein tiefes Loch in ihr Leben und seine Gewissheiten reißt. Die Erinnerung an ihren Vater und die wichtige Rolle, die er in ihrem Aufwachsen und ihrer Prägung eingenommen hat, ist untrennbar mit der Erinnerung an ihre drei besten Freundinnen verbunden.

Anne Kanis erzählt in diesem Kontext authentisch und sensibel von Trauer, Familienvariationen und wie sie auf uns und unser Leben einwirken, Freundschaft und wie sich diese verändert, Zumutungen des Lebens in der DDR, ebenso wie der schwierigen Nachwendejahre, und nicht zuletzt auch Gewalt gegen und Sexualisierung von Frauen, in öffentlichen Räumen, der Familie, und dem Lehrkontext. Und trotz dieser schweren, wichtigen Themen scheint immer wieder eine unbändige Leichtigkeit durch die Zeilen, angetrieben von einer Stimmung im Berlin der Nachwendezeit, als das Alte am vergehen, das Neue erst im Entstehen war und so für wenige Jahre ein historischer Moment und Zeitabschnitt von Freiheit und Möglichkeitsräumen eröffnet war, der die Jugend der vier Freundinnen geprägt hat. 

Mit dem Fokus auf die verschiedenen Familienhintergründe, der sonst so ähnlichen Mädchen, arbeitet Anne Kanis die feinen Unterschieden zwischen ihnen heraus. Diese feinen Unterschiede erklären sich nur begrenzt aus den klassischen feinen Unterschiede im Sinne Bordieus. Vielmehr stellt die Autorin zusätzlich eine Form von emotionalen Kapital in Familien und nicht zuletzt der Vaterrolle heraus, als zentralen feinen Unterschied im Freundinnen-Kleeblatt und als solches sehr wirkmächtig, für die Entwicklung und vermeintliches Glück eines Kindes.

Der Roman ist über weite Strecken wirklich stark in seiner Umsetzung. Lediglich zum Ende zeigt er Schwächen mit einem zu glatten Finale und einigen Klischees. 

Auf Erden ist ein sensibel und klug erzählter Roman über eine Mädchenfreundschaft im Berlin der Nachwendezeit, den Verlust eines geliebten Menschen und der Frage, wie Familie uns prägt.