Rezension

Berlin, wir haben ein Problem!

Allee der Kosmonauten - Anne Krüger

Allee der Kosmonauten
von Anne Krüger

Klappentext:
In ihrer Kindheit träumte Mathilda unter anderem von einer Karriere als Osterhase, aber am liebsten wollte sie Kosmonautin werden. Als sie ihrer besten Freundin während einer Riesenradfahrt auf die Bluse kotzte, zerbrach ihr Herzenswunsch jedoch an der schnöden Realität – sie war nicht schwindelfrei. Zurück blieb eine unbändige Begeisterung für Juri Gagarin und den Weltraum. Heute Ende zwanzig, ist Mathilda immer noch auf der Suche nach einem erfüllten Leben. Kosmonautin steht als Beruf nicht mehr zur Diskussion, aber was dann? Und was das erfüllte Privatleben angeht: Welcher Mann kann schon neben Juri Gagarin bestehen? „Allee der Kosmonauten“ ist ein Roman über die erste schwierige Phase im Leben junger Erwachsener (Quarterlife Crisis), in der neue Entscheidungen getroffen werden müssen und sich alte Bindungen verändern. Anne Krüger setzt sich mit dieser Thematik authentisch auseinander und verleiht ihren Figuren wie im Vorbeigehen Tiefe. Ein literarisches, unterhaltendes Debüt voller Situationskomik und feinem Humor.

Die Autorin:
Anne Krüger wurde 1975 geboren, als mitten im Kalten Krieg eine amerikanische Apollo- und eine sowjetische Sojus-Kapsel im Weltraum aneinander ankoppelten. Statt Kosmonautin zu werden, arbeitete sie nach dem Studium in diversen Jobs mit Bodenhaftung, bis sie sich vor einigen Jahren als Hörspielautorin selbstständig machte. Die Open-Mike-Finalistin lebt mit ihrer Familie und einer Katze in ihrer Geburtsstadt Berlin, allerdings nicht in der Allee der Kosmonauten.

Meine Meinung:
Mathilda Unterwasser ist eine Träumerin. Sie lebt in Berlin und arbeitet an der Supermarktkasse, wird von ihrem Freund Magnus verlassen, mit dem sie gerade zusammenziehen wollte, und weiß nicht, wo sie im Leben genau steht, bzw. stehengeblieben ist. Sie ist fast 30 und begreift, dass sich etwas verändern muss.
Die Kindheit in der DDR hat sie geprägt, zu ihrer Familie gibt es kaum einen Bezug - alles verläuft nach Schema F, unherzlich, ohne Wärme, und sie flüchtet vor solchen angesetzten Treffen lieber, als sich diesen zu stellen.
Mathilda wirkt antriebslos, desorientiert, in ihrer eigenen Welt lebend, vielleicht sogar im Weltraum schwebend und über die Erde blickend, ohne sich an dem Leben dort unten zu beteiligen. Warum auch? Es geht ja nur um sie und ihr Glück. Und in den Träumen mit Juri Gagarin ist sowieso alles anders, zumal diese nicht real sind und wehtun können.

Zwiespältig lasse ich das Lesen und Verarbeiten von Mathildas Geschichte hinter mir. Einerseits verstehe ich sie, weil es eben nicht nur Kämpfer gibt, die sofort oder nach und nach alles schaffen, was sie sich vorgenommen haben, das ist sonnenklar.
Und wer viel träumt, trinkt und raucht, nichts anpackt, der hat es nicht leicht, aus der Masse aufzutauchen und auf sich aufmerksam zu machen - im positiven Sinne.
Mathilda wurde mir bis zum Ende hin nicht sympathischer, auch wenn es später etwas bergauf ging und sie sich dem Leben stellte.
Nicht, weil sie oft so gleichgültig war, kam sie mir nicht nahe, sondern weil selbst eine Frau, die ihr Leben nicht im Griff hat, durchaus liebenswert dargestellt sein kann, aber dies war hier nicht der Fall.
Genauso die anderen Figuren, von denen es eine Menge gibt in diesem Buch. Ob Familie, Freunde, oder Männer, die Mathildas Weg kreuzen - sie alle bleiben blass, dafür gibt es einfach zu wenige Informationen über sie. Charaktere werden angeschnitten und bleiben ohne Tiefe.

Meistens geht es darum, wohin Mathilda geht, was sie isst, wie sie sich eine Zigarette anzündet - geredet wird kaum, und wenn, dann in sehr abgehackten Sätzen und Szenarien. Selten schaffen es längere Unterhaltungen und Diskussionen an die Oberfläche. Dass ausnahmslos alle so ihren Wortschatz gebrauchen, halte ich für unmöglich.

Die Situationskomik und den Humor habe ich gleichermaßen vermisst. Vielleicht heißt Humor aber auch, dass man trotzdem lacht. Als Mathilda zum Beispiel betrunken war, und mit jemandem durch die Straßen zog (ich verrate nicht wer, um das nicht vorauszunehmen), und beide irgendwelchen Quatsch redeten, der wahrscheinlich lustig sein sollte, musste ich nur den Kopf schütteln. An Heiterkeit durch die alkoholgeschwängerten Gehirne war da nicht zu denken.

Besonders gefallen haben mir die recht kurzen, aber dennoch spannenden Rückblicke in die DDR-Vergangenheit, sowie die (Alb)-Träume von Mathilda, in denen auch ihr Vorbild Juri Gagarin vorkam. Das waren Abschnitte, in denen die Autorin gezeigt hat, dass man mit so wenigen Sätzen ein Bild erzeugen kann, das man regelrecht vor sich sieht. Davon hätte ich gern mehr gehabt.

Abschließend sei zu sagen, dass man mit "Allee der Kosmonauten" ein kleines Stück DDR-Geschichte kennenlernt, aber auch eine Frau mit ihrer Geschichte, die ein größeres Stück von ihrem Leben preisgibt, das zu einfach gezeichnet ist und an der nicht jeder Leser seine Freude haben dürfte, denn das Buch atmet Depression, Mutlosigkeit und Verzweiflung, und wenn Juri Gagarin so antriebslos gewesen wäre, hätte er nicht ins All fliegen können.

3 Sterne.