Rezension

Berührende Familiengeschichte mit interessantem Hintergrund

Ein einfaches Leben - Min Jin Lee

Ein einfaches Leben
von Min Jin Lee

Bewertet mit 4.5 Sternen

Sunja wächst auf der koreanischen Insel Yeongdo auf. Ihre Eltern betreiben hier ein einfaches Logierhaus, das der Familie das Überleben sichert. Es ist eng aber mit viel harter Arbeit, den Zahlungen der Logiergäste und dem im Garten angebauten Gemüse geht es Sunja besser, als vielen anderen Koreanern in den 1930er Jahren.

Korea ist schon seit Jahren von Japan besetzt. Mal als aufsässige Unruhestifter, mal als dumm und faul werden die Koreaer von der Japanern angesehen. Japans Expansionsversuche nach China, hohe Steuern und Lebensmittelknappheit tun ihr übriges um vielen Menschen das Leben schwer zu machen. Unglücklicherweise wird Sunja ungewollt schwanger und ist gezwungen nach Osaka in Japan zu ziehen. Hier hat sie es als Koreanerin noch schwerer sich durchzuschlagen als in Yeongdo. Aber immerhin hat sie liebevolle Menschen an ihrer Seite und bald schon zwei prächtige Söhne, für die sie bereit ist, alles zu tun.

Min Jin Lee ist nicht nur eine drei Generationen umfassende Familiengeschichte gelungen, die viel Leid und Entbehrungen aber auch Liebe und Mitgefühl bereithält. Sondern auch ein absolut interessantes kulturgeschichtliches Portrait der in Japan lebenden Koreaner. Denn auch wenn Sunjas Kinder und Enkelkinder in Japan geboren sind, werden sie nicht als Japaner angesehen. Die Abneigung gegen die vermeintlichen „Ausländer“ zieht sich auch durch die nächsten Generationen. Und so entsteht eine Klasse heimatloser Menschen, die in ihrem Geburtsland nur geduldet sind, die nie einen Fuß auf koreanischen Boden gesetzt haben, ja noch nichtmal mehr Koreanisch sprechen können und doch für ihre niedere Herkunft ausgegrenzt und verspottet werden.

„Ein einfaches Leben“ erzählt von Leid und Mitgefühl, von Familie und Zugehörigkeit, von Stärke und Enttäuschung. Die Figuren sind lebendig beschrieben, die Blickwinkel gut gewählt und die politischen Hintergründe sind anschaulich erklärt, ohne zu ausführliche zu werden. Ich bin gerne in die koreanisch/japaische Kultur eingetaucht: Ob traditionelle Speisen oder die spezielle asiatische Etikette; Min Jin Lee beschreibt generell sehr bildhaft und ohne zu viel Zeit auf unnötige Erklärungen zu verschwenden. So war dieser Roman für mich ein berührendes und lehrreiches Leseerlebnis, dem man die intensive und langjährige Recherche im besten Sinne anmerkt.