Rezension

Berührende Schicksale inmitten der Diktaturen Stalins und Ceaușescus

Goodbye, Bukarest - Astrid Seeberger

Goodbye, Bukarest
von Astrid Seeberger

Bewertet mit 5 Sternen

Bedrückende, dennoch poetisch geschilderte Schicksale inmitten von Diktaturen – vom Überlebenswillen, der Kraft der Liebe und der Kunst

Warum dieses Buch?

In Seebergers anderem Buch 'Nächstes Jahr in Berlin', das zeitlich vor diesem liegt und das mir so gut gefallen hat, begab sich die Autorin und Ich-Erzählerin nach dem Tod ihrer Mutter auf Spurensuche. Sie fand eine Menge über ihre Familie heraus, aber eines blieb offen: Wo ist Bruno, der geliebte Bruder ihrer Mutter? Die Spur führt nach Bukarest...

Meine Meinung

Das Buch hat mich überrascht, inhaltlich und von der Struktur her; ich hatte es mir anders vorgestellt.

Am Anfang sieht man sie und ihren kranken Mann Lech, man spürt die Liebe zwischen ihnen, aber man fragt sich, warum schreibt sie darüber. Sie will doch nach Bruno suchen, den verschollenen Onkel. Später versteht man: es erklärt, warum sie ihre Recherchereisen alleine macht, was alles zusätzlich mit einer Schicht von Melancholie und Einsamkeit überzieht und am Ende schließt sich auch der Kreis... Doch dazu später mehr.

Ihr ist selbst nicht ganz klar, warum ihr das Schicksal von Bruno so wichtig ist:

'vielleicht weil er vor seinem Vater geflohen ist und ich vor meiner Mutter (22) – 'vielleicht geht es um ein Wiedererkennen … man erkennt etwas aus der eigenen tiefsten Tiefe wieder, etwas, das den Boden für all das bildet, was man ist. (29)

Aber zunächst einmal gestaltet sich die Suche schwierig, denn eine Berliner Adresse im Telefonbüchlein der verstorbenen Mutter ist die einzige Spur. Sie führt zu einem alten Deutschrussen in Berlin, der nur noch seinen deutschen Namen Hannes Grünhoff führt und der mit der Vergangenheit seinen Frieden geschlossen hat. Die war hart, denn er wurde als Kind in Stalins Zwangsarbeitslager gesteckt. Er erzählt der Autorin seine Geschichte, in der endlich auch der deutsche Kriegsgefangene Bruno vorkommt und eine weitere Spur in Form von Namen.

Sie führen die Autorin nach Bukarest (sehr eindringlich geschildert, auch die Örtlichkeiten), nach München und an den Starnberger See. Von allen diesen Menschen erfahren wir ihre Geschichte und dem Leser wird klar, welchen Schaden Diktaturen anrichten und wie es die Menschen schaffen, darin zu überleben:

'Musik, Bücher und Bilder geben dem Menschen Lebensraum, dem kein Diktator etwas anhaben kann.' (240)

Am Ende weiß die Autorin nicht nur viel über Bruno und die Lebensgeschichten der Menschen, denen er begegnet ist und die er geliebt hat, sondern sie kehrt zufrieden auf ihre schwedische Insel zu ihrem geliebten Lech zurück und hinterlässt dem Leser eines der schönsten Schlussworte, das ich je gelesen habe, über den Wert von Schutzräumen, die die Menschen sich errichten, mit Worten, mit zärtlichen, menschlichen Gesten, mit Kunst und Musik. Sie seien wohl zerbrechlich, aber doch gäbe es sie (244).

Das Buch hat mich von der ersten Seite an mit seiner poetischen, melancholischen, nachdenklichen Art gefangen genommen, zwischendurch fand ich es bedrückend und traurig, aber das Ende stimmt versöhnlich.

Für mich war dies ein Buch mit Mehrwert, das ich trotz aller Melancholie tröstlich fand, wo ich viele schöne und nachdenkenswerte Sätze fand und das einen Platz in meinem Regal haben darf. Dort steht es neben dem anderen farblich passenden von Astrid Seeberger und ich hoffe, dass die Autorin schon an einem weiteren Buch schreibt.

'Denn die Bücher, die ein Mensch liest, zeigen, wer er ist' (211)