Rezension

Besonders und überraschend

KRYONIUM - Matthias A. K. Zimmermann

KRYONIUM
von Matthias A. K. Zimmermann

"Kryonium" wird als technoides Märchen, das sich mit Virtualität auseinandersetzt, betitelt, was mich sofort neugierig gemacht hat. Ich zocke selbst seit Jahrzehnten Videospiele und war gespannt, inwiefern sich das in der besagten Virtualität widerspiegelt.
Der Einstieg in den Roman fiel mir dann allerdings gar nicht so leicht. Der*die Protagonist*in und zeitgleich Ich-Erzähler*in bleibt namens- und gesichtslos. Dadurch besteht erstmal eine Unnahbarkeit und Distanz zum Leser. Gleichzeitig fand ich das Konzept interessant, da man schnell merkt, dass das Geschlecht oder der Name absolut nebensächlich ist und die Person und ihre Geschichte nicht ausmacht. Der Schreibstil ist ungewohnt komplex und man muss sich daran erstmal gewöhnen. Ich habe jetzt in anderen Rezensionen gelesen, dass viele damit gar nicht klar kamen, aber nach einigen Kapiteln hatte ich mich an die etwas umständliche Erzählweise gewöhnt. Etwas störend waren dann nur noch häufige Wiederholungen von Erklärungen, damit man die Zusammenhänge auf jeden Fall versteht und nichts vergisst. Aber auch das konnte ich irgendwann als Eigenschaft des*r Erzähler*in akzeptieren. Er*sie steht immerhin vollkommen ohne Erinnerungen dar und muss für sich selbst vieles ordnen und Lösungen suchen. Übrigens steckt in dem Roman auch einiges an Mathematik, sodass man dagegen vielleicht keine absolute Abneigung haben sollten - ich fand allerdings alles sehr nachvollziehbar integriert.
Witzig fand ich übrigens, das ich mich schon nach wenigen Seiten an ein Computerspiel erinnert fühlte, in dem jeder noch so belanglos erscheinende Gegenstand eine Bedeutung haben kann. Vielleicht braucht man dazu wirklich die Gaming-Vorerfahrung, aber ich habe dadurch immer direkt erwähnte Gegenstände mental abgespeichert und immer wieder überlegt, wozu sie noch gut sein könnten.
Die Handlung selbst beginnt als relativ unspektakuläre Fantasy-Geschichte. Protagonist*in findet sich in einem Winterschloss wider, aus dem es kein Entkommen gibt. Dort hat er*sie sogar eine besondere Aufgabe in der Werkstatt, ist in die Welt also wie selbstverständlich integriert und nimmt das auch hin. Doch es regen sich Wünsche nach einer Flucht aus dem Schloss... Die ersten 100 Seiten behandeln dabei diese zunehmenden Fluchtversuche und das Erkunden des Schlosses und seiner nahen Umgegung. Dabei ergeben sich allerhand Rätsel und Ungereimtheiten, die den*die Erzähler*in vor immer mehr Fragen stellen. Und während auch ich mich noch gefragt habe, worauf alles hinlaufen soll, gab es einen krassen Plottwist, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Und ab da geht die Handlung erst richtig los und meine sofort auftauchende Vermutung, wohin alles laufen könnte, verfestigte sich immer mehr.
Ohne zu spoilern kann ich zur Handlung nicht viel mehr sagen, aber sie verläuft definitiv voller Überraschungen und ziemlich kurios, rätselhaft und fantastisch. Die Auflösung am Ende gefiel mir richtig gut! Ihr solltet euch auf jeden Fall darauf einstellen, dass hier nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Und daher konnte mich der Roman trotz kleiner Kritikpunkte am Ende absolut begeistern!