Rezension

Biografische Darstellung der Kindheit der Autorin

Brunnenstraße -

Brunnenstraße
von Andrea Sawatzki

Bewertet mit 5 Sternen

Andrea Sawatzki ist mir als Schauspielerin aus eher humorigen Familienfilmen und als Autorin von ebensolchen Romanen bekannt und als solche mag ich sie sehr gerne. Nie hätte ich gedacht, wie tragisch ihre ersten 15 Lebensjahre verlaufen sind, besonders die im Alter von acht bis fünfzehn. Sie verdient alle Hochachtung, davon zu erzählen, weil auch sehr viel Unrühmliches ans Tageslicht kommt.

Sie ist das uneheliche Kind einer Mutter aus einfachen Verhältnissen und deren verheiratetem Geliebten, einem erfolgreichen Journalisten. Die ersten Jahre wächst Andrea bei der Mutter auf, die als berufstätige Krankenschwester zwar kaum gegenwärtig ist, ihrer Tochter aber, obwohl Pflegepersonen sich um sie kümmern, dennoch alle Liebe zuteilwerden lässt. Von Andreas Vater, zu dem eher wenig Kontakt besteht, kann sie nicht lassen. Als dessen Ehefrau sich das Leben nimmt, heiraten Andreas Eltern. Sie selbst ist acht. Schon bald erkrankt der sehr viel ältere Vater an schwerer Alzheimer. Die Mutter muss die Familie als Nachtschwester durchbringen. Andrea wird komplett für die häusliche Pflege des Vaters eingespannt. Eine Kindheit ist das nicht. Für ihren anfänglich von ihr bewunderten Vater hegt sie zunehmend negative Gefühle bis hin zu Tötungsgedanken.

Den Roman empfand ich schon deshalb als sehr bereichernd, weil die Autorin nahezu mein Alter hat und ich bei Vielem, was aus den 1970er Jahren erzählt wurde, aus eigener Anschauung sagen konnte, ja, so war es. Typisch waren etwa für diese Zeit die körperlichen Züchtigungen, die Kinder seitens ihrer Eltern und Lehrer ausgesetzt waren. Interessant war der Umgang mit Demenzkranken, deren Familien bei der Pflege auf sich allein gestellt waren und die nicht davor zurückschreckten, den Kranken einzusperren. Sehr berührend war Andreas Lebenslauf. Sie musste so schnell erwachsen werden.

Ein sehr lesenswertes Buch, auch für die, die die Autorin bislang nicht kennen.