Rezension

Bitterböse und zynisch

Der Bibliothekar, der lieber dement war als zu Hause bei seiner Frau - Dimitri Verhulst

Der Bibliothekar, der lieber dement war als zu Hause bei seiner Frau
von Dimitri Verhulst

Bewertet mit 4 Sternen

Desiré Cordier war bis zu seiner Pensionierung Bibliothekar. Mit seinem neuen Lebensabschnitt kommt der literatur- und musikaffine Mann nicht zurecht. Zu seinen erwachsenen Kindern besteht kaum eine Beziehung und seine Frau Moniek kann er nicht mehr ertragen. Eines Tages wählt er eine unkonventionelle Weise, dem lieblosen Eheleben zu entkommen, täuscht Demenz vor und lässt sich in ein Pflegeheim einweisen.

Die Geschichte liest sich flott und sogar heiter, aber die Lachen dazu bleibt einem eher im Hals stecken. Desiré lässt auf wenigen Seiten sein Leben Revue passieren, mit vielen Entscheidungen hadert er, damals wie heute, scheint er zu falschen Entscheidungen zu tendieren. Auch die Gesamtsituation im Pflegeheim Winterlicht ist trist, den alten Menschen wird keine Möglichkeit der Selbstbestimmung gegeben, sie vegetieren schlicht und ohne Würde vor sich hin.

Bücher nehmen mich dann mit, wenn ich nicht einfach nur neutral eine Geschichte verfolgt Hier ruft der Autor bei mir starke Emotionen hervor, auch wenn es hier sehr negative sind. Denn mich persönlich hat der Bibliothekar verärgert. Ich weiß, ich sollte das Verhalten, erfundener Figuren nicht persönlich nehmen, und trotzdem fand ich Desiré schlicht unmöglich. Er war gehässig, gemein und es gibt auch im Alter Möglichkeiten, eine Ehe zu trennen. Desiré ist ein Simultant, der an seinem Plan scheitert. Möglichkeiten, seinen Mitmenschen neu zu begegnen, nimmt er nicht wahr und spielt lieber den vertrottelten Alten. So möchte man doch nicht alt werden.

Was wollte wohl Dimitri Verhulst mit seinem Buch bezwecken:  Wer eine harmlose Komödie a la „Der Hundertjährige, der…“ erwartet, ist mit diesem Büchlein jedenfalls falsch bedient. Wenn es eine bitterböse zynische Abrechnung mit dem geriatrischen Gesundheits- und Pflegewesen sein soll, dann hat Verhulst alles richtig gemacht.