Rezension

Bruno - erfindet? erlebt?

Der Wörterschmuggler
von Natalio Grueso

Bruno Labastide ist ein Abenteurer, ein sympathischer Schuft und ein Sammler kurioser Geschichten: Als er in Venedig eine geheimnisvolle Japanerin kennenlernt, die ihre Liebhaber stets nur für eine Nacht und gegen schöne Verse empfängt, versucht er, sie mit seinen Geschichten zu betören: zum Beispiel mit der von dem Jugendlichen, der Wörter schmuggelt, oder mit der von der Frau, die in Paris von einem unsichtbaren Verehrer verfolgt wird. Magisch-zauberhafte Begebenheiten, die in Buenos Aires, Paris oder Shanghai spielen und am Ende wieder nach Venedig führen.

Eine Art Rahmenerzählung beginnt in Venedig, wo die schöne Japanerin Keiko Abend für Abend Briefe öffnet, in denen Männer ihre schönsten Verse niederschreiben; mit dem Verfasser des Briefes, der ihr am besten gefällt, wird sie eine Nacht verbringen, denn es ist ihr Herzenswunsch, die Einsamkeit der Dichter zu lindern. Aber es bleibt jeweils bei einer einzigen Nacht, so sehr die Männer auch nach mehr betteln. Bis zu einem besonderen Tag.

Bruno Labastide ist ein Weltenbummler, - ein Gauner, ein Spinner, ein Nichtsnutz – ein liebenswerter Individualist, ein nachdenkliches Original, ein phantasievoller Geschichtenerzähler. Je nachdem, in welche Situation er sich hineinmanövriert oder gerät.
Er erzählt Geschichten von Reisen, die er nie machte, und er erzählt, dass er Leuten von diesen Reisen erzählt, als hätte er sie gemacht. Er erfindet Personen, z.B. den Mann, der anderen Bücher verordnet wie ein Arzt Medikamente; einen Jungen, der sich in einer Diktatur, in der man für Wörter, die man benutzt, zahlen muss, Wörter widerrechtlich aneignet; eine Frau, die anscheinend von einem Mann verfolgt wird, der ihr ständig und überall eine rote Nelke hinterlässt. Doch er erzählt auch von sich: Wie er reiche Ladys ausraubt, in einem Krieg überlebt oder für einen russischen Drogenhändler arbeitet. Die meisten seiner Abenteuer schmückt er mit Frauen aus.
Es sind lustige Geschichten darunter, leichte, traurige und sehr traurige.

Das reizvolle an Brunos Geschichten: Man weiß nie, was ihn der Autor tatsächlich erleben ließ, und wo dessen Phantasie der Phantasie beginnt und wo sie endet.
Auch reizvoll: Der ständige Wechsel des Landes als Ort der Handlung.

Warum Bruno all diese Geschichten erzählt, offenbart sich am Ende.

Ich habe das Buch gern gelesen, wenn auch etwas ratlos, denn ich begriff zunächst nicht, wie die Geschichten zusammenhängen und welchen Sinn das Buch ergibt. Erst als ich meine Zweifel und meine Unsicherheit vor einer Stunde für die Rezension zu formulieren begann und einzelne Passagen noch mal nachlas, machte es „Klick“  im Kopf, und meine Fragen beantworteten sich von selbst.