Rezension

Chinesen sind auch nur Menschen wie du und ich

Die namenlosen Töchter - Xinran

Die namenlosen Töchter
von Xinran

Bewertet mit 3.5 Sternen

Der chinesisch-amerikanischen Journalistin Xinran ist ein entzückender Roman gelungen, der uns westlichen Lesern ein unbekanntes China durch die Augen dreier ungleicher Schwestern zeigt: ein China an der Schwelle zur Neuzeit, zur Urbanität und zur postkommunistischen Zeit - im Jahre 2001. Das Gefälle zwischen Stadt und Land beträgt etwa 500 Jahre, wie im Roman übertrieben gewitzelt wird. Oft ist man erstaunt über das rückständige und ärmliche Leben in der ländlichen Provinz und den Mangel an Bildung, den es trotz des „Großen Marschs“ des Genossen Mao offenbar noch 2001 gab.

Erzählt wird der Ausbruch dreier Schwestern aus dieser Welt - drei von sechs, ein schweres Schicksal in einer Gesellschaft, in der nur männliche Nachkommen zählen. Zählen tut man dann nur die Mädchen, für echte Namen reicht die Wertschätzung nicht. Drei, Fünf und Sechs ziehen nach Nanjing und schlagen sich fortan in der großen Stadt durch. Sie spiegeln ihr bisheriges ländliches Leben in der sich selbst zur Moderne wandelnden Stadt und überwinden jede Menge naiver Vorurteile, um in sich die Stärken zu finden, als Frauen zu bestehen. Alle drei beweisen ihrem Dorf und ihren Eltern, dass sie als „Stäbchen-Mädchen“ dennoch gleichwertige Menschen sein können.

Das ist eine schöne und lehrreiche Geschichte, die allerdings manchmal an Rande des Kitsches entlangfließt und sich einer Fülle von Klischees bedient. Das fällt beim Lesen nicht so auf, weil der Blick ins fremde China und die exotischen Gebräuche oftmals davon ablenkt. Schade ist nur, dass an manchen Stellen geschlampt wurde, etwa wenn nicht nur die wertlosen Mädchen durchnummeriert wurden, sondern auch deren Onkel: Wie kann es Onkel „Zwei“ und Onkel „Drei“ geben, wenn beide doch vermeintlich höherwertige männliche Nachkommen waren?

Geschenkt. Ein entzückender Roman, dessen Schwung auch dadurch nicht verloren geht, dass immer wieder Einzelheiten umständlich erklärt und seltsame Witze zitiert werden oder der moralische Zeigfinger hin und wieder seinen Schatten wirft.