Rezension

Das Geheimnis der Zwillinge

Das Wanderkind -

Das Wanderkind
von Aude

Bewertet mit 5 Sternen

Hans und Benoît sind sehr unterschiedliche Zwillinge. Der eine groß und kräftig, der andere klein, zierlich und kränklich. Aus diesem Grund wird er auch nur „der Kleine“ genannt. Dass er lebt, ist überhaupt ein Wunder. Die Ärzte hatten Mutter Corinne schon prophezeit, dass eines der Kinder tot zur Welt kommt. Doch der Kleine ist zäh und entpuppt sich in vielen Situationen sogar stärker als der große Bruder. Er ist derjenige, der die Familie zusammenhält.

Mich hat dieses Buch, in dem die Interaktion der Familie und das enge Verhältnis der Brüder beschrieben ist, tief beeindruckt. Der Stil der Autorin ist reduziert auf das Wichtigste. Kein Wort ist zuviel, um ein deutliches Bild vor dem geistigen Auge entstehen zu lassen.

Claudette Charbonneau alias AUDE wurde 1947 in Montreal geboren und gilt als eine der wichtigsten Figuren der frankokanadischen Literaturszene. Sie war sieben Jahre alt, als die Mutter starb. Sie kam in ein Kinderheim und schrieb zwei Jahre später erste Geschichten. Nach dem Studium unterrichtete sie in Québec Kreatives Schreiben und Literaturtheorie. Nach einer Phase des düsteren Erzählens über Wahnsinn und Tod wandte sie sich mit „L‘enfant migrateur“ einer hoffnungsfrohen Weltsicht zu. Ihr gesamtes Werk ringt mit der Schwierigkeit des Seins, was sie selbst auf den frühen Verlust der Mutter zurückführte. AUDE starb 2012 an Leukämie.

Für mich war „Das Wanderkind“ ihr erstes Buch, doch es wird nicht das letzte sein. Auf jeden Fall kann ich es voller Überzeugung empfehlen.