Rezension

Das Ich als Kunstwerk

Der gebrauchte Jude - Maxim Biller

Der gebrauchte Jude
von Maxim Biller

Bewertet mit 4 Sternen

Es fällt schwer, Biller hinter Biller zu entdecken und zu erkennen, wozu "der Jude gebraucht" oder was ihn "verbraucht, weil Biller immer so selbstreferentiell ist, selten selbstreflektiert (obwohl auch das). Seine Nabelschau meint aber nicht nur ihn und was er erlebt hat, die Fülle an Personen, die Biller und seinen Text begleiten, zeigen in einer Abstimmung mit den vielen Füßen, dass der Kontext des Menschen unter Menschen, des Juden unter Deutschen oder des Juden unter Nicht-Juden und unter Juden, die Nicht-Juden sein wollen, elementar ist.

Das Selbstbildnis ist eigentlich ein Genre der Malerei, Fotografie  oder Bildhauerei und soll von der inneren Auseinandersetzung des Künstlers mit sich selbst und mit den eigenen sich wandelnden Stimmungen zeugen, wie Wikipedia informiert. dass Billers Ego von hier bis Bagdad reicht, ist wohl bekannt, wer ihn aber nur als amüsanten Rechthaber im "Litarischen Quartett" kennt, hat verpasst, welche Bedeutung er im Feuilleton und in der deutschen Literatur der 90er und 00er Jahre gespielt hat. Kannte ich auch nicht, weshalb ich fast ausschließlich auf Biller angewiesen bin, wenn es um Biller geht.
was ihm gelingt, ist ein Tonfall der Erzählung, die eine Kritik an der Nabelschau des Egomanen sofort einfängt und in die Hosentasche steckt. Darin liest man sich durch die Seiten und lernt nicht nur, dass Biller oft zornig, ungerecht und verletzend ist, sondern auch warum. "der gebrauchte Jude" ist ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der Entwicklung des Umgangs von Juden mit ihrer Vergangenheit und den Deutschen als Tätervolk. 
Billers Selbstportrait benötigt freilich den Spiegel, denn ohne den kann der Künstler sich selbst nicht sehen. Aber indem der Spiegel ins Spiel kommt, werden die Dinge verfälscht - sie sind mindestens spiegelverkehrt. Diesen Entfremdungseffekt muss man stets mitlesen, um Biller nicht mit Biller zu verwechseln, der im übrigen nie langweilt, sondern einen pointenreichen, oft ungerechten, unterhaltsamen Text liefert.