Rezension

Das Leben endet mit dem Tod

Sieben Minuten nach Mitternacht - Patrick Ness, Siobhan Dowd

Sieben Minuten nach Mitternacht
von Patrick Ness Siobhan Dowd

Bewertet mit 5 Sternen

Seitdem Conor O’Malley weiß, dass seine Mutter womöglich ihrem Krebsleiden erliegen wird, plagen ihn regelmäßig grauenvolle Albträume. Vielmehr ein einziger Albtraum, der sich ständig wiederholt und mit einem Schrei endet, der ihm durch Mark und Bein geht. Doch eines nachts folgt dem Dreizehnjährigen ein anderes Monster aus einem Traum in die Wirklichkeit. Connor ist doch längst wach oder ist er noch immer in der Traumwelt gefangen? Es ist die alte Eibe vom Friedhof gegenüber, die plötzlich vor seinem Fenster steht und zu ihm spricht. Mächtig, wild und vor allem bedrohlich. Doch der kleine Junge zeigt keine Angst! Er hat schon Schlimmeres erlebt …

Die Hintergründe, die zur Entstehung des Buches führen, sind so bewegend wie die Geschichte selbst. Es sollte SIOBHAN DOWDs fünfter Roman werden. Exposé und Figuren sind ausgearbeitet, der Anfang geschrieben, doch dann verstirbt die Autorin, bevor sie ihren Roman vollenden kann. Dies erklärt PATRICK NESS in seiner Vorbemerkung, und auch wie es dazu kam, dass er an ihrer statt Conors Erlebnisse niederschreibt.

Der Dreizehnjährige ist eine Hauptfigur, in der sich wohl jeder wiederfinden wird, der schwer erkrankte Angehörige pflegt oder gar verloren hat. Die Sorgen um die Liebsten können einen Menschen haltlos übermannen. Tag wie Nacht werden sie zur finsteren Bedrohung. Es ist schwer, damit umzugehen. Conor ist ein tapferer Junge, der in mancher Situation über sich hinauswächst. Er lernt, verantwortungsbewusst zu handeln und vorausschauend zu denken. Trotz aller Umstände ist er dennoch ein Kind. Hilflos, genauso wie sich Angehörige fühlen, wenn ihnen langsam aber stetig die Liebsten entgleiten. Man kann nichts daran ändern, man muss einen Weg finden, damit umzugehen. Conor findet ihn! Von seiner schwesterlichen Freundin Lily schwer enttäuscht, wird der alte Baum zu seinem verlässlichen Begleiter. Das Monster erscheint immer pünktlich um SIEBEN MINUTEN NACH MITTERNACHT. Es erzählt Conor drei Geschichten. Die vierte Geschichte obliegt Conor selbst. Keine Geschichte im eigentlichen Sinn, sondern seine persönliche Wahrheit.

SIEBEN MINUTEN NACH MITTERNACHT ist ein Buch zwischen Leben und Tod, Traum und Wirklichkeit. Hauptfigur Conor begleitet seine sterbende Mutter auf ihrem Leidensweg, tut alles Menschenmögliche, um sie zu entlasten und zu schützen. Doch auch er selbst leidet und fühlt sich allein in dieser schweren Situation. Seine Großmutter wirkt in ihrer nach außen gezeigten Härte meilenweit entfernt, sein Vater, der nach der Scheidung längst eine neue Familie gegründet hat, ist es wortwörtlich. Einzig das Monster aus dem Traum wird zum Freund und hilft Conor schließlich, sich selbst zu helfen. Zweiunddreißig tiefsinnige, ehrliche und authentische Kapitel in erster Person Singular im Kampf gegen den Tod bis hin zu seiner Akzeptanz. PATRICK NESS beweist Fingerspitzengefühl, schafft eine besondere Atmosphäre und rührt zu Tränen. Eine wahre Flut von Tränen in meinem Fall! Ehrlich gesagt, hatte ich aus persönlichen Gründen Angst vor der Lektüre. Dem Autor ist es allerdings gelungen, mich mit positiven Elementen des Romans zu versöhnen. Es ist eben nicht alles gut oder böse. Und auch in schlimmen Momenten sollte man sich Glaube und Hoffnung bewahren. Es ist, wie es ist. Man kann dem Unausweichlichen nicht aus dem Weg gehen. Und am Ende sind wir alle nur Menschen.

SIEBEN MINUTEN NACH MITTERNACHT liegt mir als schwarz-weiß illustrierte Taschenbuchausgabe aus dem Goldmann Verlag vor. Jim Kay, verantwortlich für die Motive auf dem Cover und im Buch, hat meines Empfindens die Botschaft des Romans sehr gut umgesetzt. Seine Zeichnungen folgen der Geschichte textumspielend, ein- oder doppelseitig. Sie greifen den Kontrast von Licht und Schatten auf, schwanken zwischen zart und gewaltig und stecken insgesamt voller Intensität. Der perfekte Rahmen für diese bildgewaltige Erzählung über Leben und Tod.

Fazit:

PATRICK NESS erzählt die bewegende Geschichte von Conor O’Malley nach einer Idee von SIOBHAN DOWD. SIEBEN MINUTEN NACH MITTERNACHT schwankt zwischen Leben und Tod, Traum und Wirklichkeit. Ein Buch wie eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Sehr ruhig, ehrlich und authentisch, traurig und wunderschön zugleich! Ein feines Stück Wahrheit für Jung und Alt.