Rezension

Das letzte Schreiben der Firma

Mit herzlichen Grüßen - Andrea Bajani

Mit herzlichen Grüßen
von Andrea Bajani

Bewertet mit 4 Sternen

Man nennt ihn den Killer. Seine Waffen sind Briefe – Kündigungsschreiben. Honigsüß und rhetorisch brillant vermitteln sie dem Adressaten, dass seine Entlassung nur zu seinem Besten geschehe. Der Killer ist der neue Stern am Firmenhimmel. Mit seiner Karriere geht es steil bergauf, bis er eines Tages unerwartet zum Ersatzvater der Kinder eines Kündigungsopfers wird. In seinem Privatleben bricht fröhliche Anarchie aus, und er entdeckt, dass es auch ein Leben außerhalb der Firma gibt. (von der dtv-Verlagsseite kopiert)

Hier das Berufsleben des Ich-Erzählers: Seine „Killer“-Schreiben, die dumm-dreisten und hirnrissigen Ideen des Personalleiters – angeblich zur Verbesserung des Arbeitsklimas -, die von den Angestellten kritik- und widerstandslos angenommen und umgesetzt werden, die Anzüge und Krawatten und der Opportunismus.

Dort: Seine Sorge für die Kinder des entlassenen und todkranken Verkaufsleiters, denen er seine gesamte Freizeit opfert und die er betreut, als wäre er der Vater.

Zwischen beiden verläuft eine scharfe Grenze, sowohl inhaltlich und sprachlich als auch atmosphärisch. Der eine Teil ist bitterböse, zynisch und menschenverachtend, der andere lebendig, anschaulich und vital. Und doch ist es derselbe Protagonist, in zwei Rollen, zwei Umfeldern, zwei Leben. Der irgendwann eine Entscheidung zu treffen hat.

Die Kündigungsschreiben stehen isoliert. Weder weiß man um den genauen Hintergrund, weshalb die Kündigung ausgesprochen wird, noch lernt man den Adressaten kennen. Den einzigen, den man kennt: Den Schreiber. Doch wie er innerlich zu seinen Handlungen steht, wie er damit klar kommt, erfährt man auch nicht. Der gesamte Komplex bleibt (aus gutem Grund) seelenlos.

Bajanis Debütroman spricht ein gesellschaftlich brisantes Thema an, das zu der Zeit, als er veröffentlicht wurde, in vielen Variationen durch die Medien ging und von dem Tausende Menschen betroffen waren: Die sogenannte „Verschlankung“ der Unternehmen, der Verzicht auf Personal zugunsten der Wirtschaftlichkeit, wobei diejenigen, die bleiben durften, die Arbeit der Entlassenen zusätzlich zu ihrer eigenen übernehmen mussten. Es hieß oft: Die Firma kann nicht anders, um überlebensfähig zu bleiben.

Bajani legt noch eine Schippe drauf: Die Firma – der Erzähler als Kündigungsschreiber im Auftrag des Personalleiters – stellt den Verlust der Arbeit als Gewinn für Freiheit, Weiterbildung oder Freizeit des Entlassenen dar. Verräterisch dabei jeweils die letzten Sätze, in denen dem Adressaten mitgeteilt wird, wann und wo er seine Schlüssel pünktlich abzugeben habe.

In diesem Zusammenhang sei auf das Nachwort verwiesen: Celestini entwirft den Zusammenhang zwischen der (italienischen) Arbeitswelt und Bajanis Roman.

Dieses Buch habe ich als letzten der vier ins Deutsche übersetzten Romane des Autors gelesen. Während in den folgenden Büchern vor allem die verhaltene Emotionalität beeindruckt, ist es hier die Kälte auf der einen und der Einsatz auf der andern Seite. Das Unvereinbare, das möglich ist.