Rezension

Das Lombard-Haus

Das Versprechen -

Das Versprechen
von Damon Galgut

Bewertet mit 5 Sternen

Südafrika im Jahr 1986: Rachel Swart ist erst 40 Jahre, als sie dem Krebs erliegt. Sie hinterlässt ihren Mann Manie und die drei Kinder Astrid, Anton und Nesthäkchen Amor. Kurz vor ihrem Tod ringt sie ihrem Gatten ein letztes Zugeständnis ab: Ein kleines Häuschen auf dem Gelände der Farm, das sogenannte Lombard-Haus, soll laut ihrem letzten Willen der schwarzen Angestellten Salome geschenkt werden. Doch es sieht nicht so aus, als ob dieses Versprechen bald eingelöst würde…

„Das Versprechen“ ist der mit dem Booker Prize 2021 ausgezeichnete Roman von Damon Galgut.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus vier Teilen. Der erste spielt im Jahr 1986 und ist am ausführlichsten. Der zweite Teil ist neun Jahre später angesiedelt. Zu den Teilen drei und vier gibt es weitere Zeitsprünge, sodass die Geschichte mehrere Jahrzehnte umspannt. Die originelle Idee, die hinter diesem Muster steckt, erschließt sich nach und nach. Dreh- und Angelpunkt ist die Farm der Swarts. Die Schauplätze wechseln jedoch immer wieder.

Erzählt wird durchweg im Präsens. Allerdings ist die Erzählperspektive durchaus ungewöhnlich und unkonventionell. Der Fokus springt - zum Teil sehr abrupt - von Person zu Person und gewährt dabei eindringliche Innensichten. Dabei ähnelt der Schreibstil einem Stream of Consciousness, geht aber darüber hinaus. Er ist atmosphärisch dicht und bildstark. Der einzigartige Stil wechselt bisweilen auf die Metaebene. Er spricht mal die Leserinnen und Leser, mal die Charaktere direkt an. Mit der besonderen Art des Erzählens wurde mir beim Lesen viel Aufmerksamkeit abverlangt. Zugleich hat sie mich schon nach wenigen Seiten komplett für den Roman einnehmen können.

Vor dem Hintergrund der sozialen, politischen und gesamtpolitischen Umwälzungen in Südafrika, inklusive des fortschreitenden Endes der Apartheidpolitik, wird das Porträt einer dysfunktionalen Familie gezeichnet, die dem Untergang geweiht ist. Klassische Sympathieträger gibt es nicht. Sowohl der Vater als auch die drei Kinder und die weiteren Verwandten zeigen psychische Auffälligkeiten und weisen diverse menschliche Schwächen auf. Sie wirken jedoch rundum glaubwürdig und vielschichtig. Etwas zu blass bleibt für meinen Geschmack die nicht unwichtige Salome. Sie tritt ebenso wie andere schwarze Charaktere in den Hintergrund. Neben der Familie tauchen hier und da immer wieder Randfiguren auf, die der Geschichte eine besondere Würze verleihen.

Die rund 370 Seiten umfassende Geschichte spielt ihre Stärken vor allem im ersten und letzten Teil aus. In der Mitte verliert die Geschichte ein wenig an Intensität, wird aber dennoch zu keiner Zeit langatmig. Neben tragischen und ernsten Passagen mangelt es dem Roman nicht an mystischen, komischen und skurrilen Momenten, zum Beispiel wenn religiöse Riten dargestellt werden. Thematisch wird ein breites Spektrum abgedeckt.

Gut gefallen hat mir ebenfalls, dass der englischsprachige Titel („The Promise“) so wortgetreu übersetzt wurde. Auch das ansprechende deutsche Cover ist an das Original angelehnt.

Mein Fazit:
Mit „Das Versprechen“ ist Damon Galgut ein überaus lesenswerter Roman mit einer einzigartigen Erzählstimme gelungen, der aus der breiten Masse hervorsticht. Eine zwar herausfordernde, aber facettenreiche, fesselnde und geschickt konstruierte Lektüre. Ein Lesehighlight 2022.