Rezension

Südafrika im Schonwaschgang

Das Versprechen -

Das Versprechen
von Damon Galgut

Bewertet mit 3.5 Sternen

Der Roman „Das Versprechen“, Sieger des Man Booker Prize 2021, jetzt in der deutschen Übersetzung auf dem Markt, setzt noch zur Hoch-Zeit der Apartheit in Südafrika ein. Doch natürlich gärt es im Land und der Umbruch ist nicht mehr weit entfernt. 

Von dem Jahr 1986 ausgehend, an dem ein Mitglied der wohlhabenden, innerlich auseinandertriftenden Swartfamilie an Krebs stirbt bis 30 Jahre später, zieht der Autor seinen Bogen bis an das politische Ende der Apartheit und die ersten Jahre danach. Immer steht die Familie Swart im Mittelpunkt, die sich vollständig nur versammelt, wenn ein tragisches Familienereignis eingetreten ist.

 Dabei bedient der Autor sich der Erzähltechnik des Stream of Consciousness, auf die Spitze getrieben, denn die Erzählstimme erlaubt sich alles: sie spricht mit dir, lieber Leser, sie gibt der Natur eine Stimme, sie ist Selbstgespräch der Figuren, sie ist Dialog und innerer Monolog und übergeordneter Erzähler zugleich. Dabei springt sie wie ein Flummiball sogar mitten im Satz von einer Perspektive in die andere. Das ist manchmal reizvoll und manchmal übertrieben. Das Stilmittel ermöglicht eine Rundumschau, wird aber auch ausgereizt und kann deshalb allmählich nerven. Wie immer man es auch bewertet, eines kann das Stilmittel nicht leisten: live dabei zu sein. 

So wird die alte Empfehlung „Show, don’t tell“ in dem Roman fast völlig außer Kraft gesetzt. Selbst die aufregendsten Ereignisse werden ausgeblendet und statt einem Mord zuzusehen, erlebt der Leser nur den inneren Monolog des Täters. Auch alle anderen Erlebnisse erlebt der Leser nur indirekt, sie werden ihm nachgeliefert und die Lieferung ist nie vollständig, da ein Bröckchen und dort eins, aha, es gab eine Scheidung, aha, da war eine Geliebte, aha, da gab es einen Unfall, aha, da hat ein politischer Umbruch stattgefunden. Manchmal ist das reizvoll und manchmal ist das fade, denn es nimmt nicht mit. Ein Roman im Schonwaschgang sozusagen.

 Der Kommentar: 
Nichtsdestotrotz funktioniert diese Technik des Erzählens weitgehgend in diesem Roman. Denn ohne Zweifel ist der Roman „Das Versprechen“ Kunst. Anhand der weißen Familie Swart aus der afrikanischen Oberschicht stellt der Autor auf subtile Art ein Stück Geschichte Südafrikas dar. Von der Hoch-Zeit der Apartheit bis zu ihrem Niedergang. 

Das titelgebende Versprechen bezieht sich auf einen kleinen Teil an Landbesitz, das die  schwarze Hausangestellte Salome, die die Kinder großgezogen hat, bekommen soll. Im Roman bleibt die schwarze Bevölkerung im Schatten, genau so, wie sie von der weißen Oberschicht behandelt wird. Die schwarzen Angestellten übernehmen die wesentlichste Arbeit und sollen ansonsten unsichtbar sein. Und sind es auch. Emotionalität seitens des Lesers verlangt Galgut nicht, sie kann auch nicht entstehen, da nur Schlaglichter auf die einzelnen Personen geworfen werden, doch wird durch scheinbare Lappalien auf wiederum subtile Weise das politische Hintergrundrauschen in die reduziert erzählte Geschichte der Familie Swart eingestreut. Leider nur Brotkrumen. 

Der Roman geizt weder mit Pathos noch mit Symbolen. Ein esoterischer Anteil trägt zum Eindruck des Fluiden weiter bei, der durch die Erzähltechnik bereits angelegt ist. Letztlich ist er dann doch eine runde Sache. Ein Stück Information ist zum anderen gekommen. Und doch nimmt er nicht mit, der Roman, es bleibt ein Roman im Schonwaschgang, möglicherweise gerade deshalb weil er nur in den Köpfen der Weißen stattfindet. Das war gewagt, Herr Galgut und ist ohne Zweifel als Gesellschaftskritik vom Feinsten gedacht, hat für die gesamte Strecke für mich aber nur halb funktioniert. 

 Fazit: Den Roman „Das Versprechen“" habe ich gerne gelesen, er hat mich jedoch emotional nicht mitgenommen, wie es der Thematik angemessen gewesen wäre. Stream of Consciousness kann das nicht.

Kategorie: Belletristik
Sieger des Man Booker Prize 2021

Verlag. Luchterhand 2022