Rezension

Dem Tod auf der Spur // Michael Tsokos

Dem Tod auf der Spur - Michael Tsokos, Veit Etzold, Lothar Strüh

Dem Tod auf der Spur
von Michael Tsokos

Bewertet mit 4 Sternen

Auf dem Buchumschlag dieses Buches findet sich ein Zitat von Frank Schätzing: „Nichts ist so spannend wie die Realität“. Und da muss man ihm einfach zustimmen. Thriller- und Krimiautoren geben immer wieder ihr Bestes, um eine spannende und actiongeladene Geschichte zu konstruieren. Doch sie konstruieren eben bloß. Alle wissen, dass ein Obduktionssaal nie so aussehen wird, wie ihn bekannte Autoren zeichnen. Und auch die Todesarten kommen einem doch manchmel sehr hart vor. Lasst euch eins gesagt sein: die Realität ist viel härter.

Michael Tsokos erzählt in diesem Buch nicht von seinen spektakulärsten Fällen. Und auch nicht von den Fällen, mit denen er am meisten in der Öffentlichkeit stand. Tsokos will keine sensationsheischenden Storys erzählen, sondern dem Leser den Beruf des Rechtsmediziners nahe bringen. Wie schaut es wirklich aus in einem Obduktionssaal, wie wird eine Autopsie durchgeführt und wie kommt man einem naturwissenschaftlichen Rätsel auf die Spur?

Die meisten der Fälle, die Michael Tsokos in Dem Tod auf der Spur schildert, sind auch nicht solche, die von fremder Hand herbeigeführt wurden. Menschen verunglücken, haben tragische Unfälle oder begehen Selbstmord. Und das weitaus öfter als das ein Dritter nachhilft. So führt der Autor den Leser mal ein wenig an die Realität heran. Doch auch wenn hier nichts „gepimpt“ wurde, um Spannung zu erzeugen, kann man das Buch kaum noch aus der Hand legen. Zwölf Einzelschicksale hat Tsokos ausgewählt, um zu zeigen, wie spannend und abwechslungsreich der Rechtsmediziner-Beruf ist.

Hinzu kommt, dass Michael Tsokos nicht nur ein Meister seines Faches ist, sondern auch noch ein unglaubliches Talent zu Schreiben aufweist. Er streut gelegentlich eine kleine private Anekdote ein, ohne sich dabei in den Vordergrund zu stellen. Auch die Aufbereitungen der einzelnen Fälle war, entgegen meiner Erwartung, nicht trocken und zu wissenschaftlich. Der Leser wird immer mal wieder anfangs vor ein Rätsel gestellt und geht damit Hand und Hand mit dem größten Rechtsmedziner Deutschlands den Weg zur Lösung.

Und auch ohne ein abgeschlossenes Medizinstudium kann man der Erzählung sehr gut folgen. Tsokos beschreibt die Vorgänge im Körper eines Menschen beim und nach dem Sterben so anschaulich, dass auch der Laie gut folgen kann.

Besonders beeindruckt hat mich, dass das Buch auch den „Fall Jessica“ nochmals aufgreift. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an das kleine Mädchen, das 2005 aufgrund elterlicher Vernachlässigung sterben musste. Tsokos war damals wohl der leitende Rechtsmediziner und schildert in seinem Buch die trauriger Geschichte der 7-Jährigen. Anders als in den Medien dargestellt ist das Mädchen tatsächlich nicht verhungert. Nicht nur der Nahrungsentzug, sondern alle Vernachlässigungen, führten schließlich dazu, dass mitten in Deutschland ein Kind sterben musste, von dem kaum einer wusste.

Wer sich für die Rechtsmedizin interessiert und gerne einmal wissen möchte, wieviel Wahres an den Schilderungen einiger Thrillerautoren dran ist, der ist mit Dem Tod auf der Spur genau richtig bedient. Tsokos Schilderungen sind spannend, einnehmend, informativ und manchmal auch verstörend und gehen einem nahe. Aber das Leben ist nun einmal manchmal blutig und brutal. Und Michael Tsokos ist es wunderbar gelungen, seinem Leser einmal das reale Leben eines Rechtsmediziners nahe zu bringen.

 

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