Rezension

Demenz. Schlaganfall.

Am Ende - Herrad Schenk

Am Ende
von Herrad Schenk

Bewertet mit 4 Sternen

Elli ist mit dem seit einem Schlaganfall pflegebedürftigen Paul verheiratet. Da er seit dem Schlaganfall nicht mehr richtig reden kann, ist sie fast die einzige Person, die ihn noch richtig verstehen kann. Seine Tochter Ines (aus erster Ehe) kümmert sich um die beiden und versucht zu helfen, da sie jedoch auch Haushalt, Familie und Arbeit als Lehrerin hat, kann sie auch nicht ständig für die beiden da sein. Zumal Elli Ines nicht so gerne mag, da sie sich bevormundet vorkommt. So kommt ab und an noch Frau Feigel und hilft dem älteren Ehepaar (um die 80 Jahre alt) und macht den Haushalt. Jedoch ist die Haushaltshilfe auch nicht unbedingt eine wirklich große Hilfe, denn sie lässt sich viel von Elli sagen statt einfach die Dinge zu machen. Paul war ein großer Journalist, hatte immer großes politisches Interesse, war interessiert am gesamten Weltgeschehen, ihm macht es sehr zu schaffen, dass er dies nun nicht mehr so tun kann. Denn auch Elli kann nicht mehr so, wie sie will. Die Augen funktionieren nicht mehr so gut, entsprechend kann sie ihm nicht aus der Zeitung vorlesen. Und auch ihre Gedanken schweifen sehr oft ab, sie bildet sich immer mal wieder Dinge ein, die so nicht sind. ...

Aus dem Klappentext des Buches erfährt man über die eigentliche Geschichte des Buches nicht wirklich viel. Mit großem Einfühlungsvermögen und sensibler Hellsicht dringt Herrad Schenk in die innere terra incognita des alten Menschen vor., heißt es da. Noch keine Rede von der Geschichte um Elli und Paul, die dreimal pro Woche von "Essen auf Rädern" beliefert werden. Das Buch erzählt die schrecklich verwirrende Geschichte um die Ehe der beiden, das gemeinsame Kind Annie, welches Elli als spätgebärende Mutter zur Welt gebracht hat, mit dem aber wohl etwas passiert ist. Darauf wird man schon gleich zu Anfang des Buches hingewiesen, was genau passiert ist, stellt sich jedoch erst viel später heraus. Denn die Geschichte, erzählt von Elli, ist sehr wirr. Mal erzählt Elli vom Jetzt, wo sie trotz ihres doch schon hohen Alters noch den Balkon mit Blumen und Pflanzen begrünen möchte, dazu eigentlich aber nicht unbedingt in der Lage ist, da sie zum einen doch auch recht vergesslich und unordentlich ist (Blumenerde auf dem Küchenboden), später erzählt Elli dann vom Kennenlernen mit Paul, von ihrer Mutter, die wohl auch nie sonderlich stolz auf ihre Tochter war, sondern mit der sie ein Unglücksfall verbindet bzw. gewissermaßen viel mehr trennt.

Diese Zeitsprünge im Kopf von Elli machen es einem sehr schwer am Ball zu bleiben, genau zu wissen, was gerade los ist, in welcher Zeit sie sich befindet, was wieso nun passiert ist.

"Ein anrührendes Buch, voller Wut und Wehmut." Elke Heidenrich Da hat sie wohl recht. Wobei man gewissermaßen fast etwas böse auf Elli sein könnte, die einfach keine Hilfe von Ines bzw. Frau Feigel annehmen will. Aber es ist wohl einfach so, im Alter möchte man sich von niemandem etwas hineinreden lassen, ich kann dies aus eigener Erfahrung bei meinen Großeltern sagen. Da sollte eine Haushaltshilfe weiterhelfen, damit mein Opa entlastet werden konnte, meine Oma fand es jedoch netter, mit der Dame etwas zu plaudern und sie so zu überzeugen, dass manche Dinge heute einfach nicht möglich wären. (Ich möchte hier keine genaueren Beispiele anbringen, da mir das einfach zu persönlich ist.) Zwar war es bei uns zwar nicht so wie im Buch, was die Unordnung bzw. den Dreck angeht, aber es zeigen sich genaue Parallelen auf. Denn auch die Verwirrtheit im Kopf von Elli ist mir nur zu gut bekannt, da auch wir die Begegnung mit der Demenz (so würde ich Ellis "Zustand" deuten) machen dürfen. Da wird plötzlich nur noch von früheren Begegnungen erzählt, die die eigene berufliche Ausbildung betreffen, nicht einmal mehr von den eigenen Kindern wird erzählt, was ich sehr schade finde, woran sich aber nichts ändern lässt.

Eine schlimme Sache ist die Demenz, wie ich finde. Sie verwirrt Menschen, die sich deshalb dann nicht mehr genau orientieren können und bringt so einiges durcheinander, ein eigenständiges Leben ist dann meiner Ansicht nach nur noch im Anfangsstadium möglich, wenn eine zweite, "geistig nicht verwirrte" Person mit ihm Haushalt wohnt.

Für mich war es interessant das Buch zu lesen. Einen Einblick zu haben, wie man sich im Alter wohl fühlen könnte, "dank" der zahlreichen Gebrechen, die man so erleidet. Denn auch mit Demenz und Schlaganfall haben wir in der eigenen Familie schon genug Erfahrung sammeln "dürfen". Von Paul bekommt man im Buch nicht wirklich viel mit, er ist körperlich nicht mehr wirklich flexibel bzw. kann kaum mehr laufen, sich kaum mehr selbst verständigen. Elli schildert dies dann und wann auch immer wieder. Einzig diese wirklich verwirrenden Gedanken in Ellis Kopf, die dann ja die verschiedenen Zeitsprünge aufweisen, finde ich wirklich schwierig. Man muss sehr aufpassen, in welcher Zeit sie sich gerade befindet, um weiter am Ball bleiben zu können. Entsprechend ist es für mich kein Buch gewesen, dass ich eben einfach mal so schnell durchgelesen habe, sondern es hat wirklich Zeit beansprucht. Dank der knapp 200 Seiten mag dies für manchen nicht glaubhaft klingen, wer sich aber ernsthaft mit dem Buch und der Thematik beschäftigt, für den ist dies mehr als verständlich.

Ensprechend vergebe ich 4 von 5 Sternen und spreche für alle, die sich auch mal mit dieser Thematik beschäftigen wollen, eineEmpfehlung aus.