Rezension

Der etwas andere Sci-Fi-Roman

Illuminae - Amie Kaufman, Jay Kristoff

Illuminae
von Amie Kaufman Jay Kristoff

Bewertet mit 4.5 Sternen

Kady hat sich einen denkbar schlechten Tag dafür ausgesucht, um mit ihrem Freund Ezra Schluss zu machen. Denn am selben Tag wird ihr Planet Kerenza von einem rivalisierenden Konzern angegriffen und die beiden, zusammen mit weiteren Überlebenden, befinden sich nun auf einer Flotte, die den Planeten evakuiert hat, und sind auf der Flucht. Es wird Monate dauern, bis sie in Sicherheit sind, und das feindliche Schiff ist ihnen dicht auf den Versen, da es alle Zeugen des Angriffs auslöschen will. AIDAN, die künstliche Intelligenz des „Hauptschiffs“ Alexander, wurde bei der Rettungsmission stark beschädigt, wodurch es zu vielen Problemen kommt, und zu allem Übel bricht auch noch ein tödlicher Virus aus.

Meinung:

Zunächst das Offensichtliche: Dieses Buch ist anders als andere Bücher. Es ist nicht wie ein herkömmlicher Roman geschrieben, sondern besteht aus Dokumenten, die von den Ereignissen auf den Schiffen Alexander, Hypatia und Copernicus erzählen. Das sind E-Mails, Chat-Verläufe, Aufnahmen von Überwachungskameras, Audio-Dateien, medizinische Unterlagen, Zeugenberichte, Handgeschriebenes uvm. Das ist im ersten Moment eine Umstellung, da man keinen richtigen Erzähler hat, sondern sich die Infos aus den einzelnen Dokumenten rausfischen muss. Aber es funktioniert super.

Die meisten Dokumente handeln von den beiden Protagonisten Kady und Ezra, da sie den Mittelpunkt der Geschichte darstellen, doch es sind zum Beispiel auch Berichte von Kommandanten dabei, wodurch der Leser einen noch tieferen Einblick in die Geschehnisse bekommt. Die Dokumente, besonders die Chat-Verläufe, wirken richtig real, da hier Rechtschreibfehler, Emoticons und Umgangssprache verwendet werden. Wie das eben so ist in Chats ;)
Sehr witzig fand ich die zensierten Kraftausdrücke, die zu einem Ratespiel für mich wurden. Hm, welches Wort passt denn an die Stelle...? Mal war es mehr, mal weniger offensichtlich, aber das fand ich persönlich ganz nett.

Mit der Protagonistin Kady konnte ich mich schnell anfreunden. Sie ist antisozial (aber erst seit der Attacke auf ihren Heimatplaneten), keine Teamplayerin und eine romantische Seite hat sie auch nicht gerade. Kady strotzt vor Intelligenz und merkt schnell, dass vieles vor ihr und der restlichen Besatzung geheim gehalten wird. Sie will den Dingen auf den Grund gehen und schreckt nicht davor zurück, sich in Systeme einzuhacken, um Missstände aufzudecken. Obwohl sie alles verloren hat, bleibt sie stark. In Chats, Interviews etc. wirkt sie recht kühl (taut aber langsam auf) und distanziert, aber Tagebucheinträge helfen, sie besser zu verstehen.

Ezra ist albern und neigt zu Übermut. Wie Kady hat er alles verloren. Er trägt eine große Wut in sich, weswegen er sich bestens zum Kampfpiloten eignet und schon bald nach der Evakuierung ausgebildet wird. Ezra ist, im Gegensatz zu Kady, ein sozialer Mensch und freundet sich mit seinem Kollegen an. Er ist impulsiv und emotional. Was Kady angeht, ist er hartnäckig. Er will nicht akzeptieren, dass sie mit ihm Schluss gemacht hat und schafft es tatsächlich, sie wieder für sich zu gewinnen. 

Kady befindet sich an Board der Hypatia, während Ezra auf der Alexander zu einem Piloten ausgebildet wird. Das ganze Buch über findet also kein physischer Kontakt zwischen den beiden statt. Anhand der Chats merkt man, wie sehr beide sich lieben und wieder zueinander finden wollen und ich habe so mitgefiebert, dass sie es schaffen. Ja, es ist auch eine Liebesgeschichte ;)

Hier erwähne ich auch mal AIDAN, die künstliche Intelligenz, die schweren Schaden davon getragen hat. AIDAN wird wie ein richtiger Charakter behandelt, es kann eigenständig denken und Entscheidungen treffen, doch durch den Schaden ist es wahnsinnig geworden. Ich muss zugeben, dass ich - trotz der furchtbaren Dinge, die AIDAN angerichtet hat - Mitleid mit ihm hatte und auch hier auf ein gutes Ende gehofft habe. AIDAN hat Philosophie ins Buch eingebracht und viele wichtige Fragen aufgeworfen. Welche Opfer würdest du bringen, um Menschenleben zu retten?

Die Geschichte selbst ist unfassbar spannend. Sie ist ein Wettlauf gegen die Zeit, denn das gegnerische Schiff ist nicht weit entfernt und auf einem Schiff mit den Evakuierten bricht eine tödliche Krankheit aus, die die Patienten in den Wahnsinn treibt. Auch hier helfen wieder die Dokumente und Bilder, den Ernst der Lage darzustellen. In einem Chat wird noch in lockerem Tonfall darüber geredet, dass jemand los muss, weil es einen Alarm gab, im nachfolgenden Zeugenbericht werden die Ereignisse aus einer anderen Perspektive beleuchtet und man erfährt, was wirklich mit dieser Person passiert ist. Countdowns und Todeszahlen haben die Spannung auf die Spitze getrieben und ich musste das Buch des Öfteren weglegen, um einmal tief durchzuatmen und mich wieder zu beruhigen ;) Obwohl das Buch fast 600 Seiten hat, liest es sich wahnsinnig schnell. Ich konnte es - abgesehen von den Momenten, in denen ich mich beruhigen musste - kaum aus der Hand legen.

„Illuminae“ ist ein sehr emotionales Buch, was man gar nicht denkt, da es eben nur aus Dokumenten besteht. Aber es war eine richtige Achterbahn der Gefühle. Ich war fassungslos, glücklich, am Boden zerstört, hoffnungsvoll, entsetzt,… Am Ende hatte ich eine Gänsehaut, die nicht mehr wegging. Und das schaffen nicht viele Bücher bei mir.

Anfangs war ich etwas unsicher, ob das Buch etwas für mich ist, da ist eigentlich kein Sci-Fi lese. Es kommen viele Begriffe vor, die man wohl aus dem Genre kennt, mit denen ich aber nicht so viel anfangen konnte. Trotzdem war alles super verständlich und einfach erklärt, ohne banal zu wirken.

Einen halben Stern Abzug gibt es für das Ende, das für meinen Geschmack zu perfekt konstruiert war. Hier hätte ich mir mehr Mut der Autoren gewünscht, den wohl heftigsten Plot-Twist des Buches bis zum Ende durchziehen. Viel mehr will ich an der Stelle nicht verraten, auch wenn ich noch so viel zum Buch schreiben könnte, da es so unfassbar komplex ist. Ich war hier wirklich etwas ratlos, was ich in die Rezension schreiben soll, da alles so wichtig ist, aber ich habe versucht, mich auf das Wesentliche zu beschränken, ohne die Story vorwegzunehmen.

Ich empfehle bei diesem Buch übrigens nicht das E-Book, da die Schrift kaum zu lesen ist und man die Größe nicht einstellen kann!