Rezension

Der Höhepunkt der (bisherigen) Reihe

Die sieben Königreiche, Band 3: Die Königliche - Kristin Cashore

Die Königliche
von Kristin Cashore

Bewertet mit 5 Sternen

“Die Königliche” ist der dritte Band aus der Reihe um “Die sieben Königreiche”. Und auch wenn ich noch keine Hinweise auf ein weiteres Band entdecken konnte (die Bände werden als Trilogie gehandelt) hoffe ich noch immer auf eine weitere Fortsetzung.

Schon am Cover kann man erkennen, dass “Die Königliche” zu “Die Flammende” und “Die Beschenkte” dazugehört. Alle drei Cover zeigen den Hinterkopf und den bezopften Nacken einer Frau. Diesmal ist es eine eher königliche Frisur, die die schwarzhaarige Frau auf dem Cover, vermutlich Bitterblue, trägt. Und auch, wenn ich gerne mehr von Bitterblues Gesicht gesehen hätte, passt das Cover so vermutlich besser in die Reihe hinein. Da der Titel und der Name der Autorin exakt wie bei den anderen zwei Büchern angeordnet ist, sehen die drei zusammen im Regal wirklich gut aus.

Nach dem Tod ihres Vaters, dem tyrannischen Herrscher von Monsea, ist es an Bitterblue, die Herrschaft zu übernehmen und das Königreich zu neuer Blüte zu führen. Keine leichte Aufgabe, wenn die Untaten, die unter dem Einfluss ihres Vaters begangen wurden, ihr gegenüber stets verschwiegen werden. Und das scheint nicht das einzige zu sein, das von ihren Beratern im Verborgenen gehalten wird.

Aber auch Bitterblue pflegt ihre Geheimnisse. Seitdem ein geheimer nächtlicher Ausflug sie in eine Erzählstube führte, ist sie regelmäßig des Nachts inkognito in der Stadt unterwegs. Durch die Bekanntschaften, die sie dort schließt, gewinnt sie zu weit mehr Erkenntnissen als durch die Dokumente in der königlichen Ratsstube – aber sie führen auch zu neuen Lügen, ihren Lügen.

Schon mit den ersten Seiten von “Die Königliche” hat mich Kristin Cashore wieder einmal in den Bann geschlagen. Wer “Die Beschenkte” gelesen hat, wird sich an die kleine Bitterblue erinnern, die nach dem Prolog von “Die Königliche” bereits zu einer junge Frau, zu einer jungen Königin geworden ist. Eine Königin, die nicht einmal in der Lage ist, ihre Untergebenen zu verstehen, geschweige denn ihr Volk. Aber dies ist auch eine schwierigen Aufgabe, denn schon die Informationen, die Bitterblue von ihren Beratern erhält, sind mehr als nur dürftig – und die Aufgaben und Pflichten, die sie als Königin erledigen muss, immens.

Ihre geheimen Ausflüge in die Stadt offenbaren ihr weit mehr als ihre Berater ihr sagen wollen – und wecken Bitterblues kritischen Blick: Für das Unrecht, das unter der Herrschaft ihres Vaters geschah und stets verschwiegen wurde, aber auch für das Unrecht, das jetzt noch geschieht. Einen Blick für die Menschen in ihrem Dienst, deren Fähigkeiten und deren Herzen. Ein Blick, der auch dem Leser einiges enthüllt – und Bitterblue langsam zu der Königin macht, die ihr Volk braucht.

In “Die Königliche” gilt es keinen König zu stürzen – auch wenn im Verlauf der Geschichte derartiges erwähnt wird – sondern die weniger ruhmreiche Aufräumarbeit. Eine Arbeit, die von Scham, gewollter Unwissenheit und Intrigen behindert wird. Denn einige Nutznießer der alten Regierung schrecken auch vor Mord nicht zurück, um den Status Quo zu erhalten. Bitterblue hat damit ebenso wie Katsa und Fire Kämpfe zu bestehen – aber ihre Kämpfe sind anders, ebenso wie ihre Motivation. Und die Lüge, auf der sich ihre neuen Freundschaften aufbauen, machen ihr daher ziemlich zu schaffen.

Die Geschichte um Bitterblue hat weniger Kämpfe zu bieten, dafür jedoch weit mehr Tiefgang bei mindestens gleicher Spannung. Sie verbindet gekonnt die Handlungsstränge aus den beiden vorangegangenen Bänden und schließt damit die Brücke zwischen Katsa, Fire und Bitterblue. An Bitterblues Seite wieder auf alte Helden zu treffen, alte Rätsel und fast vergessene offene Handlungsstränge stückweise aufdecken zu können, während man gleichzeitig auf neue, ebenso faszinierende (und in der Regel sympathische) Figuren trifft, machen “Die Königliche” zumindest für mich zum Höhepunkt der bisherigen Reihe.

Die Wehmut ob des Endes der Geschichte kühlt Kristin Cashore dann mit einem kleinen Schmankerl: Das von Verfasser, dem königlichen Bibliothekar Todd, als “nichtsagend, beliebig, und insgesamt von zweifelhaften Nutzen” bezeichnete Personenverzeichnis. Todds Kommentare und Anmerkungen machen es zu dem einzigen Personenverzeichnis, das ich je ganz gelesen habe – und haben mich noch eine kleine Weile länger in den sieben Königreichen verweilen lassen.